Einsamen
aus. »Wir sind gelaufen. Bis Stabby, haben dort einige Runden im Wald gedreht und sind dann zurück. Sind bei Rackis eingekehrt, haben jeder ein Bier getrunken, da dudelte eine Bluesband, aber die machte gerade Pause. Anfangs sagte er, ich solle ihn in Ruhe lassen, damit er das, was er tun müsse, in Ruhe und Frieden tun könne. Ich habe ihm gesagt, dass ich gar nicht daran dächte, ihn allein zu lassen, dass ich es nicht zulassen würde, wenn er sich das Leben nähme … ich dachte, dass ich ihn einfach ernst nehmen müsse. Man muss einen gewissen Respekt zeigen, ich würde jedenfalls ziemlich sauer werden, wenn ich beschlossen hätte, Selbstmord zu begehen, und dann meinen Worten nicht geglaubt wird. Oder was meinst du?«
Gunilla nickte. »Ja, natürlich. Er war ja betrunken, aber wenn man betrunken und traurig ist, dann möchte man auch ernst genommen werden, auch wenn man nur Quatsch von sich gibt. Du meinst doch nicht, dass er es tatsächlich getan hätte, wenn du nicht mitgegangen wärst?«
Tomas zündete sich eine Zigarette an. »Wie soll man das wissen?«
»Fragst du mich das?«
»Ja. Also, es ist doch so, wenn wir zurückschauen, dann sehen wir nur das, was tatsächlich passiert ist. Nicht das, was nicht passiert ist. Vielleicht habe ich Germund das Leben gerettet, aber sicher kann man sich dessen natürlich niemals sein. Das Wichtige ist doch, dass ich eine Entscheidung getroffen habe. Ich war der Meinung, dass es wichtig ist, ihn nicht allein weggehen zu lassen, und ich erwarte für meinen Einsatz auch keine Medaille.«
Sie blieb schweigend eine halbe Minute lang sitzen und betrachtete ihn. Er sah tatsächlich etwas verletzt aus, vielleicht hatte er auch ein Recht dazu. »Entschuldige«, sagte sie. »Vielleicht hast du einfach gehandelt, wie du handeln musstest. Dass ich ein bisschen sauer geworden bin, ist ja nicht die Welt. Mich allein mit der ganzen Bagage zu lassen! Aber worüber habt ihr denn geredet? Er muss dir ja wohl trotz allem erklärt haben, warum er Schluss machen will?«
»Nicht besonders deutlich«, sagte Tomas. »Er sagte nur, dass er eine ewige Bürde trage.«
»Eine ewige Bürde?«
»Ja, die Worte hat er benutzt. Und er hat behauptet, dass er der Meinung sei, das Leben sei ein verdammter Scherz, ein Theaterstück, dass er keine Lust mehr habe, weiter auf der Bühne zu stehen … ja, so ungefähr hat er geredet. Dass alles falsch und verlogen ist, und wenn man sich erst einmal hinstellt und alles durchschaut, dann gibt es nur eines.«
»Sich das Leben zu nehmen?«
»Ja. Ich habe ihm natürlich gesagt, dass das Blödsinn ist, und gefragt, was für einen Sinn es denn haben soll, tot zu sein. Er hat gelacht und erwidert, dass es natürlich überhaupt keinen Sinn hat, und das sei doch gerade der Punkt dabei. Auf jeden Fall hat er ziemlich schnell damit aufgehört, davon zu reden, es wirklich zu tun, wir sind einfach im Regen herumgelaufen und haben miteinander geredet – und dann bei Rackis, das war … ja, ich fürchte, das war ziemlich hochtrabend, das Ganze, verstehst du?«
»Junge intellektuelle Männer lösen das Rätsel des Lebens?«
»Ungefähr so. Aber er ist nicht so oberflächlich, der Germund. Ich weiß nicht, was diese ewige Bürde sein soll. Aber es ist verdammt klar, dass es da ein Trauma gibt. Seine ganze Familie zu verlieren, wenn man zehn Jahre alt ist. Kein Wunder, wenn man da komisch wird.«
»Weißt du, welche Hilfe er bekommen hat, als es passiert ist?«
»Keine Ahnung. Ich glaube auch nicht, dass er mit Maria darüber redet, aber du kannst sie vielleicht mal fragen. Es hat keinen Sinn, wenn ich es tue. Aber vor zehn Jahren gab es bestimmt auch schon Kinderpsychologen.«
»Wer hat sich um ihn gekümmert?«
»Ich weiß es nicht. Aber mit sechzehn ist er nach Uppsala gegangen. Hat in der Fjellstedtska angefangen und wurde später eingezogen.«
Gunilla nickte und dachte eine Weile nach.
»Merkwürdiger Ausdruck, nicht wahr? Ewige Bürde.«
»Ja. Er hat noch eine andere merkwürdige Sache erzählt. Er hat mit zweiundzwanzig verschiedenen Frauen geschlafen. Was sagst du dazu?«
»Was ich dazu sage? Widerlich, sage ich. Weiß Maria davon? Ich dachte, die beiden wollten zusammenziehen?«
»Das wollen sie auch. Wahrscheinlich weiß sie davon, jedenfalls hat er mich nicht gebeten, darüber zu schweigen. Nur über diese Selbstmordgedanken.«
»Aber sie ist sicher auch ziemlich herumgekommen, oder?«
»Was spielt denn das für eine Rolle?«
»Keine Ahnung.
Weitere Kostenlose Bücher