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Einsamen

Einsamen

Titel: Einsamen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Nesser
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drei Tagen entscheiden müssen?«
    Tomas zuckte mit den Schultern. »Ich fürchte, da gibt es noch einen anderen Anwärter«, sagte er. »Es wäre schon gut.«
    Rickard schaute auf die Uhr. »In Ordnung«, sagte er. »Ich werde heute Abend mit Anna reden. Aber jetzt muss ich zur Vorlesung.«
    »Wir hören voneinander«, sagte Tomas. »Und du brauchst dir wirklich keine Sorgen machen, es ist ein Schnäppchen.«
    »Ich mache mir keine Sorgen«, sagte Rickard.
    Setzte sich die Kapuze auf und ging hinaus in das Aprilwetter.

    Sie war begeisterter, als er erwartet hatte.
    Wenn »begeistert« überhaupt ein Wort war, das man in Bezug auf Anna verwenden konnte. Diese Überlegung gefiel ihm gar nicht, aber sie kam ihm in den Sinn, ohne dass er darum gebeten hatte, und er konnte sie problemlos beiseite schieben. Das war eine Persönlichkeitsfrage, nichts, was man kritisierte oder zu ändern versuchte. Außerdem war er selbst aus dem gleichen Holz geschnitzt, oder? Er erwartete nur selten oder gar nie diese Intensität und das starke Erlebnis – den Rausch –, wie viele andere Menschen es offensichtlich taten. Besonders junge Menschen, auf der Jagd nach dem Ekstatischen. Das war wohl auch der Grund, warum sie Drogen nahmen, vermutete Rickard. Er selbst hatte nie auch nur den geringsten Drang in dieser Richtung verspürt, Tabak und Alkohol, sicher, aber da war auch schon die Grenze erreicht.
    Nicht einmal wenn sie sich liebten, machte Anna viel Aufhebens von sich, und hinterher war er oft gezwungen, sie zu fragen, ob sie gekommen war oder nicht. Zwei von drei Malen war sie das, aber er war sich nie bewusst, wann.
    Dass sie sich jetzt also – fast ohne jede Bedenkzeit – positiv zu Tomas’ Busidee stellte, ja, das war vorsichtig ausgedrückt eine Überraschung. Sie hatten noch nichts für den Sommer geplant, abgesehen davon, dass sie beide einige Zeit jobben wollten – jobben mussten –, und er begriff, dass ein großer Teil seines eigenen Zögerns wahrscheinlich einem vermeintlichen Nein von Anna geschuldet war. Da er erwartet hatte, dass sie es als zu riskant ansehen würde, zu kostspielig, einfach zu uninteressant, den halben Sommer in einem Bus herumzukutschieren und sich auch noch mit einem Kredit und einer Firmenbeteiligung zu binden – ja, war es nicht genau diese erwartete distanzierende Reaktion, die seiner eigenen Begeisterung einen Dämpfer versetzt hatte?
    Aber so ist es wohl in einer Beziehung, dachte er. Man geht bei seinen Überlegungen nicht nur von der eigenen Erwartung aus, sondern auch von der des Partners.
    Und dass sie ohne zu zögern Ja sagte, führte dazu, dass er sich ein wenig über sich selbst ärgerte.
    »Ich finde das auch eine tolle Idee«, sagte er. »Wir können ja beide die erste Hälfte des Sommers jobben, und dann verbringen wir die zweite in Osteuropa.«
    »Aber was diesen Kredit betrifft«, sagte Anna und biss sich auf die Lippen. »Ich werde meine Eltern nie dazu bringen, so ein Papier zu unterschreiben. Wer Schulden hat, ist nicht frei, mein Vater wird das noch auf seinen Grabstein schreiben. Er findet es schlimm genug mit dem Stipendium.«
    »Das macht nichts«, versprach Rickard. »Ich rede mit meiner Mutter, das kriegen wir schon hin.«
    Noch am selben Abend sprach er mit seiner Mutter in Hova, und wie erwartet kriegten sie das hin.
    Der Haken dabei war nur, dass er sie ein wenig anlog, aber er wusste, dass es notwendig war. Eine Bürgschaft für den Sohn zu übernehmen, das war kein Problem für sie, im Gegenteil, aber die Bürgschaft für einen Kredit für einen Bus zu übernehmen, das war etwas anderes.
    Folglich erklärte er, dass es um eine Wohnung ging, auf eine undurchsichtige Art und Weise gelang es ihm, sie glauben zu machen, dass sie Zuwachs erwarteten und deshalb eine größere Wohnung brauchten. Seine Mutter war nie bei ihm zu Besuch gewesen, weder in der Väktargatan noch überhaupt in Uppsala, hatte noch nie Anna gesehen – aber ihnen unter die Arme zu greifen, wenn sie ein richtiges Heim brauchten, das war eine Selbstverständlichkeit.
    Nicht mit Geld, denn das hatte sie nicht, aber ein Name auf einem Papier kostete ja nichts.
    Mutter wie Sohn deuteten außerdem an, ohne dass es zu einer konkreten Abmachung kam, dass es bald an der Zeit war, sich einmal zu dritt zu treffen. Oh ja, das war es wirk-
lich.
    Das Gespräch dauerte nur fünf Minuten. Wie üblich überfiel ihn das schlechte Gewissen, nachdem er den Hörer aufgelegt hatte, dieses Mal noch ein wenig

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