Einsatzort Vergangenheit (German Edition)
von irgendwelchen Kolleginnen umzingelt war. Als
wäre er ein Ausstellungsstück im Museum!“, redete ich mich regelrecht in Rage.
Vor meiner Dienstagsstunde hatten einige meiner Mädchen aus dem Grundkurs
Geschichte der zwölften Klasse noch Deutschunterricht bei Herrn Berger. Wenn
sie zu mir in die Klasse kamen, schnatterten sie immer aufgeregt darüber, wie
gut er denn aussah und welche Schande es war, dass er Lehrer und sie
Schülerinnen waren. Ihre Aufnahmefähigkeit in diesen Stunden war nahezu nicht
existent. Man konnte ihm nicht entrinnen, er war anscheinend immer und überall.
„Freundin,
Verlobte oder Frau?“
„Keine
Ahnung, einen Ring hat er nicht an, das haben die Mädchen aus der Zwölften
schon herausgefunden. Am ersten Schultag hat ihn eine Superblondine abgeholt,
dann hat er aber von irgendeiner Eroberung gequatscht. Scheint sich nicht
festlegen zu wollen der Bursche. Warum fragst du?“ Ich wurde misstrauisch. Sie
wollte sich dieses Exemplar doch nicht etwa ansehen? Wenn er sie verließ,
könnte ich das nicht verkraften. Dass sie sich, wie immer, auf meiner Couch
ausheulen würde, könnte ich noch hinnehmen. Was ich aber nicht durchstehen
könnte, wäre die Tatsache, dass ich ihn weiterhin Tag für Tag in der Schule
sehen musste, wohl wissend, dass er meiner besten Freundin das Herz gebrochen
hatte. Und am besten noch zusehen musste, wie er das auch noch mit anderen
Frauen tat, es gab noch genügend andere alleinstehende Frauen an unserer
Schule, von den alleinerziehenden Müttern ganz zu schweigen.
„Er
scheint dich ganz schön zu beeindrucken. Immerhin hast du seine körperlichen
Vorzüge besonders hervorgehoben. Ich möchte mir dieses Geschenk Gottes an die
Frauenwelt mal ansehen. Ich könnte dich doch mal wieder in der Schule besuchen.
Ist schon ziemlich lange her, dass ich das gemacht habe, oder?“ Ein nahezu
diabolisches Lächeln lag auf ihren Lippen.
„Marie!
Seitdem wir Abitur gemacht haben, hast du keinen Fuß mehr in eine Schule
gesetzt. Erinnerst du dich? „Nie wieder gehe ich in die Schule!“, waren deine
Worte nach der mündlichen Prüfung. Du warst weder in meiner alten Schule noch
im Albert-Einstein. Und eigentlich ist es nicht deine Art, dass du dich auf die
Männer stürzt. Warum dann der Berger?“ Ich verstand die Welt nicht mehr, sie
hatte ihn noch nicht mal gesehen und doch hatte sie schon Feuer gefangen.
„Doch
nicht, weil ich was mit ihm anfangen will, du Dummerchen. Ich finde es nur
komisch, dass du mir erzählst, dass du jetzt so etwas wie einen Freund hast,
aber kaum ein Wort über sein Aussehen verlierst. Aber über diesen Kollegen
erzählst du mir als Allererstes, wie gut er aussieht. Das ist schon merkwürdig,
findest du nicht?“ Hatte ich ihr wirklich nichts über Svens Aussehen erzählt?
Bestimmt hatte ich das. Wahrscheinlich lag es an ihrem Schlafdefizit und der
Zeitumstellung, dass sie es vergessen hatte. Und wenn ich Herrn Bergers Vorzüge
aufgezählt hatte, dann doch nur, weil ich seine Oberflächlichkeit hatte aufführen
wollen und nicht weil er mich in irgendeiner Art und Weise beeindruckte.
4.
Kapitel
Da
ich noch ein paar Kopien für den Unterricht anfertigen wollte, machte ich mich
am darauffolgenden Montag schon früher als sonst auf den Weg zur Schule. Erfreut
stellte ich beim Einparken auf dem fast leeren Parkplatz fest, dass kaum
Kollegen im Haus waren. Umso besser, dann musste ich so früh am Morgen noch
kein pädagogisches Fachgespräch oder anderweitige Gespräche führen. Morgens
brauchte ich eine gewisse Vorlaufzeit, bis ich warm gelaufen war. Mit anderen
Worten: Ich war ein Morgenmuffel. Eine merkwürdige Gestalt, die in Richtung
Turnhalle lief, brachte mich zum plötzlichen Halt. Und wenn ich merkwürdig
meinte, dann deshalb, weil diese Person in einem Kostüm rumlief. Es sah aus,
als käme er oder sie gerade von einer Karnevalssitzung, was im September doch
äußerst ungewöhnlich war. Doch hoffentlich kein Perverser, der es auf unsere
Schüler abgesehen hatte, so mein erster Gedanke. Schnell lief ich zur Turnhalle
hin, um dieser eigenartigen Gestalt ein wenig auf den Zahn zu fühlen. Dabei
kramte ich schnell mein Handy aus der Tasche, um im Falle eines Falles die
Polizei rufen zu können. Als ich mich auf Hörweite genähert hatte, merkte ich,
dass die Person telefonierte:
„Ja
Silvia, alles bestens. Nein, mir ist niemand begegnet. Was ist denn schief
gelaufen? Warum konnte ich nicht wie immer landen?“, vernahm ich und die
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