Einsatzort Vergangenheit (German Edition)
weiter. Irgendjemand muss ihn kennen und uns sagen können, wo er
untergekommen ist!“ Phil gab sich nicht so leicht geschlagen, auch dann nicht,
als wir den fünften erfolglosen Versuch hinter uns hatten. Ich war völlig
frustriert und demotiviert, in meiner Vorstellung hatte ich mir diese
Unternehmung wesentlich einfacher vorgestellt. Dort hatte nämlich jeder etwas
mit dem Namen Spencer anzufangen gewusst und uns mit einem Fingerzeig besagten
Herren präsentiert.
„Auch
auf die Gefahr hin, dass ich dich nerve, was machen wir jetzt?“ Phil blieb
stehen und schaute sich suchend um, bevor er mir antwortete:
„Wenn
wir die Straße weiter entlang gehen, gelangen wir nach Whitehall Palace. Da das
Parlament tagt, wird sich die Königin vermutlich dort aufhalten. Bei Hofe muss
doch irgendjemand Robert kennen.“
„Und
wie sollen wir Zutritt zum Palast bekommen? Wir können doch nicht einfach
hineinspazieren und…“
“Master
William, wollt Ihr wohl stehen bleiben?“ Unser Gespräch wurde von einem an uns
vorbei rennenden kleinen Jungen, der nicht älter als sechs sein konnte,
unterbrochen. Ihm hinterher eine tonnenförmige Frau älteren Semesters, doch
schon nach kurzer Zeit fiel sie hinter ihm zurück und blieb schlussendlich stehen,
um, völlig außer Atem, Luft zu holen. Blitzschnell reagierte Phil und hielt den
Ausreißer mit einer einzigen Handbewegung fest. Vehement wehrte sich der kleine
Bursche gegen diese Behandlung.
„Immer
schön langsam, Master William. Es gehört sich nicht von seiner Amme
wegzulaufen!“, redete er beruhigend auf ihn ein.
„Aber
wenn wir nicht rechtzeitig sind, dann fährt Papa ohne uns zum Tower und ich
kann die Tiere nicht sehen“, schluchzte er aus vollem Herzen.
„Aber,
aber, glaubst du, dass dein Vater das täte? Ohne dich fahren?“ Phil kniete sich
neben den Burschen und sah ihn an. Der Junge nickte mit tränenverschmiertem
Gesicht.
„Er
hat gesagt, dass wir pünktlich sein müssen, sonst fährt er ohne uns. Aber es
gibt hier so viel zu sehen und da verging die Zeit so schnell und plötzlich
schlug die Uhr und wir waren nicht am verabredeten Ort“, sprudelte es aus ihm
heraus. Inzwischen hatte uns auch das Kindermädchen erreicht. Ihr Atem ging
noch immer schwer und der Schweiß rann ihr übers Gesicht.
„Ich
danke Euch, dass Ihr diesen Teufelsbraten aufgehalten habt“, keuchte sie.
„Wir
konnten Eure Verzweiflung sehen und dachten, es sei in Eurem Sinne ihn von
seinem Vorhaben abzuhalten. Erlaubt, dass wir uns vorstellen: Wir sind das
Ehepaar Berger.“
„Erfreut
Eure Bekanntschaft zu machen. Mein Name ist Mathilda Beckins, ich bin das
Kindermädchen des jungen Masters William Spencer hier. Sein Vater ist Mitglied
des Parlaments und seine Geschäfte haben uns in diese grässliche Stadt
gebracht!“ Hatte sie wirklich William Spencer gesagt oder spielten mir meine
Nerven etwa einen Streich? Schnell wechselte ich einen Blick mit Phil, sein
strahlendes Gesicht konnte jedoch wirklich nur bedeuten, dass das hier wirklich
einer der Beiden war, die wir retten sollten. Aus tiefstem Herzen dankte ich
dem Schicksal dafür, dass es so gut mit uns meinte.
„Was
Sir Robert bewogen hat uns mitzunehmen, ist mir immer noch ein Rätsel. Seit dem
Tode Lady Margarets verbringt er ständig seine Zeit mit dem Jungen hier. Völlig
unnatürlich, wenn Ihr mich fragt. Ich war schon Sir Roberts Kindermädchen und
sein Vater hat erst angefangen sich für ihn zu interessieren, als er ins
Mannesalter kam. So war es immer und so sollte es sein“, quasselte Mathilda
ununterbrochen fort. „Was dieser Mann sich alles einfallen lässt, um seinen
Sohn bei Laune zu halten. Heute die Menagerie im Tower, morgen ins Theater, wer
weiß, was er am Freitag plant, vermutlich wird er uns zur Bärenhatz schleppen!“
„Welch‘
Zufall, wir werden morgen ebenfalls ins Theater gehen. Wir werden uns ein neues
Stück von Shakespeare ansehen und Ihr?“, unterbrach Phil die dauerplappernde
Mathilda. Bitte, bitte lass es das gleiche Stück sein, schickte ich ein
Stoßgebet gen Himmel. Wenn ich schon einen Mord verhindern sollte, sollte es
doch bitte dort geschehen und nicht in irgendeinem Stück, von dem keiner je was
gehört hatte.
„Ach
herrje, da bin ich überfragt. Theater sind gotteslästerlich, kein gottesfürchtiger
Mensch geht dorthin. Ich habe Lord Robert gebeten, dass er mir das erspart. Dem
Herrn sei gedankt, er hatte Nachsehen und wird alleine mit dem Jungen gehen!
Alles nur Heuchelei
Weitere Kostenlose Bücher