Einsatzort Vergangenheit (German Edition)
Ich blickte auf und war überrascht, ein mir bekanntes Gesicht zu sehen.
Das war dieses Topmodel, das Phil am ersten Schultag abgeholt hatte. Eine
seiner Freundinnen gehörte auch dazu? Es gab durchaus eine Menge Studien, die
besagten, dass man seinen Partner sehr häufig auf der Arbeit kennenlernte; ich
selbst hatte Oliver auf dem gleichen Weg kennengelernt, warum sollte das bei
Zeitreisenden anders sein?
„Kommen
Sie mit, ich bringe Sie zu Richard. Er möchte Sie noch einmal sehen“, forderte
sie mich mit gelangweilter Stimme auf. Vermutlich war es wohl unter ihrer Würde
solche Botengänge zu erledigen. Ich stand auf und folgte ihr. Dabei nutzte ich
die Gelegenheit und sah sie mir genauer an. Hatte ich schon damals gedacht,
dass sie perfekt aussah, so bestätigte sich das aus der Nähe auch noch. Sie war
noch größer als ich, was aber, wie ich schnell prüfte, ihren unglaublichen High
Heels geschuldet war. Dafür schien sie aber mindestens zwei Kleidergrößen weniger
als ich zu tragen. Natürlich trug sie nicht Jeans, nein, dass was sie da trug,
waren anscheinend sündhaft teure Designerstücke. Kleidungsstücke, die ich mir
nie im Leben leisten könnte, selbst wenn ich wenig genug wog, um da rein zu
passen. Sowohl ihre Haare als auch ihr Make-up waren perfekt und tadellos. Die
perfekte Frau für den perfekten Mann, zusammen gaben sie bestimmt ein
bildhübsches Paar ab, dachte ich neidvoll. In dem vollen Bewusstsein, dass
meine nicht zu bändigenden Locken nie da saßen, wo sie sollten, ich ein wenig
mehr wog, als mir lieb war, und ich definitiv keine Designerkleidung trug.
Während sie das Mädchen von der Titelseite der Vogue war, war ich eher
diejenige, die man als Mädchen von nebenan bezeichnete, die mit der man Pferde
stehlen konnte. Ohne Frage war klar, welcher Typ Frau von Männern bevorzugt
wurde. Und Mädels vom Ponyhof waren meistens nur die zweite Wahl.
Wir
hatten das Labor verlassen und waren durch lange, hell erleuchtete Gänge zu
einem Aufzug gelangt. Wir traten in das Innere, wo meine Begleiterin am
Bedienelement eine Tastenkombination eingab und die Türen schlossen sich leise.
Ohne, dass man es merklich empfand, fuhr der Aufzug nach oben, lediglich die
schnell wechselnden Nummern der Stockwerke zeigten mir an, dass wir uns
bewegten. Im gefühlten Bruchteil einer Sekunde waren wir am Ziel angelangt, die
Aufzugstüren öffneten sich und gaben den Blick auf einen großen Raum frei.
Sicherlich sollte dies ein Büro sein, aber es war so vollgestopft mit den
unterschiedlichsten Sachen, dass ich mir eher vorkam wie im Lagerraum eines
Museums. Voller Staunen trat ich ein und ließ meinen Blick neugierig durch die
Runde schweifen. In hohen Regalen standen Trinkgefäße aus verschiedenen
Jahrhunderten, an einigen Stellen der Wand hingen historische Waffen, ein
Replikat eines Globus von Beheim stand inmitten des Raumes. Ein Lesepult mit
einem riesigen aufgeschlagenen Folianten zog meine gesamte Aufmerksamkeit auf
sich. Neugierig ging ich darauf zu und betrachtete mir das Buch genauer. Das
konnte doch nicht wahr sein: Vor mir lag eine Gutenbergbibel! Und zwar nicht
hinter Glas, wie man es aus dem Museum kannte. Nein, dieses Exemplar sah so
aus, als sei es gerade erst aus Gutenbergs Druckerpresse gekommen. Das musste
ein Faksimile sein, die konnten doch nicht einfach so eine Gutenbergbibel hier
rumliegen haben. Ein vergnügtes Kichern ließ mich aufblicken, ich hatte gar
nicht mehr daran gedacht, dass ich nicht alleine sein könnte. Herr Lermin trat
auf mich zu.
„Ja,
die Bibel ist immer wieder ein Hingucker. Es ist ein Geschenk meines Freunds
Hennes für einen kleinen Tipp, den ich ihm mal gegeben habe“, erklärte er mir
verschmitzt.
„Das
ist die Echte?“ Meine Stimme überschlug sich fast vor Ungläubigkeit.
„Aber
ja, alles in diesem Raum hier ist echt und sind Geschenke, die ich auf meinen
Reisen erhalten habe. Kommen Sie, setzen wir uns. Möchten Sie etwas Tee?“ Er
nahm mich beim Arm und führte mich, als sei ich ein kleines Kind zu einer
gemütlichen Sitzgruppe, wo wir Platz nahmen.
„Tee
wäre nett!“
„Silvia,
würdest du bitte Tee zubereiten, und wenn du Phil siehst, schicke ihn doch
bitte zu uns. Ach, und wenn du noch ein paar von diesen tollen
Schokoladenkeksen auftreiben könntest, wäre das prima“, wandte er sich an Miss
Topmodel.
„In
Ordnung Richard, noch was?“ Hatte sie vorhin noch gelangweilt geklungen, so
klang sie nun angesäuert. Herr Lermin schien das
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