Einsatzort Vergangenheit (German Edition)
Locken in alle Richtungen ab. Die
Stelle im Gesicht, an der ich den Schlag hatte einstecken müssen, war lediglich
leicht gerötet. Wenn ich Glück hatte, würde es auch so bleiben. Ich konnte gut
darauf verzichten Lügen für dieses „Missgeschick“ zu erfinden. Mein Aussehen
konnte ich nicht mehr ändern, ich zuckte meinem Spiegelbild mit den Schultern
zu und verließ den Sanitärbereich durch die nächste Tür und stand in einer Art
Umkleideraum. Genau, wie Herr Lermin es gesagt hatte, lagen dort einige
Kleidungsstücke für mich bereit. Rasch schlupfte ich in die Sachen hinein.
Dabei fragte ich mich, woher die Zeitreisenden wussten, welche Kleidergröße ich
hatte. Abgesehen von der Tatsache, dass sie auch nicht überrascht davon gewesen
waren, dass ich Phil versehentlich begleitet hatte. Sehr mysteriös das Ganze.
War das hier eine Abteilung des Geheimdienstes und die wussten einfach alles?
Hinter der nächsten Tür erwartete mich ein Raum, der mich an das Labor einer
Arztpraxis erinnerte. Männer und Frauen in weißen Kitteln liefen, scheinbar,
willkürlich herum. Verloren stand ich im Türrahmen und betrachtete die Szenerie
vor meinen Augen, bis ich Herrn Lermin entdeckte, der auch sofort auf mich
zukam.
„Kommen
Sie mit, ich bringe Sie zu Ihrem Blutcheck!“ Und schon war er wieder unterwegs
in die andere Richtung, ich beeilte mich ihm zu folgen. Konnte dieser Mann
nicht einmal stillstehen? Er schien mir in den wenigen Minuten, in denen ich
ihn bisher gesehen hatte, keinen einzigen Moment zur Ruhe gekommen zu sein,
gleich einem Perpetuum mobile, immer in Bewegung. Endlich blieb er an einem
Labortisch stehen und zeigte auf einen Hocker:
„Bitte
nehmen Sie Platz! Es kommt gleich jemand zu Ihnen.“ Und schon war er wieder
verschwunden. Und er hatte nicht gelogen, denn schon kurz darauf tauchte eine
ältere Dame an meinem Platz auf. In einer Hand trug sie ein Klemmbrett, wie
Ärzte es bei der Visite im Krankenhaus hatten.
„Laura
Simon? Das sind dann wohl Sie?“, frage sie, ohne einen Blick vom Brett zu
nehmen. Überwältigt von den Eindrücken, konnte ich nur mit einem Nicken
antworten. Sie suchte ein paar Sachen aus den umliegenden Boxen zusammen und
machte sich daran mir Blut abzunehmen, dabei plauderte sie unentwegt:
„Ich
bin Doktor Theresa Schmitzke. Ich nehme Ihnen jetzt ein wenig Blut ab, damit wir
innerhalb kürzester Zeit wissen, ob Sie sich nicht doch etwas eingefangen
haben. Keine Angst, das dauert nicht lange. Wir sind ein hoch spezialisiertes
Labor und Sie sind hier in den allerbesten Händen. Es gab noch keinen
Reisenden, den wir nach seiner Rückkehr nicht behandeln konnten. Selbst den
Leprafall vor drei Wochen haben wir wieder schön hinbekommen.“ Ich hörte wohl
nicht recht: Lepra! Ich hatte an Schnupfen oder Ähnliches gedacht, aber doch
nicht an Lepra. Auf diese Erfahrung würde ich bitte gerne verzichten! Sie
musste meinen entsetzten Gesichtsausdruck bemerkt haben und fuhr fort:
„Keine
Angst, die meisten Reisenden kommen ohne Erkrankung zurück, da sie im Vorfeld
gegen alles Mögliche geimpft sind. Schlimmer ist es, wenn Sie unerwartet
reisen, da kann man sich schon mal was einfangen. Oh, ich sehe, dass Sie ja so
ein Fall sind. Ach herrje, jetzt mache ich Ihnen auch noch Angst! Kindchen,
nicht verzweifeln, alles wird gut!“ Wenn das eine Beruhigung gewesen sein
sollte, dann wollte ich nicht wissen, was sie machte, wenn sie jemanden
einschüchtern wollte. Vor meinem inneren Auge sah ich mich schon in Quarantäne
auf der Intensivstation liegend. Menschen in Schutzanzügen standen um mich
herum und blickten bedauernd auf mich herab, da mein letztes Stündlein
geschlagen hatte.
„Alles
in Ordnung, Sie sind absolut gesund, Kindchen“, riss Doktor Schmitzke mich aus
meinen Wahnvorstellungen heraus. Was, so schnell ging das? Schnelltest, gut und
schön, aber so schnell hatte ich mir das nicht vorgestellt. Wahrscheinlich war
das doch eine Spezialeinheit des deutschen Geheimdienstes und die Regierung
hielt alles schön unter Verschluss. Trotzdem war ich sehr dankbar dafür, dass
das alles zügig vorbei war und ich nicht länger im Ungewissen gelassen wurde.
Sie griff zu einem Telefon, hob den Hörer ab und wählte eine kurze Nummer:
„Frau
Simon ist fertig, sie kann abgeholt werden!“ Das klang gut! Ganz so, als könnte
ich gleich nach Hause gehen und mich von diesem Abenteuer ausruhen. Frau
Schmitzke hatte das Gespräch gerade beendet, da stand schon jemand an unserem
Tisch.
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