Einst herrschten Elfen
Hithuur.
Er stand mit Sildaan und zwanzig menschlichen Söldnern am Eingang des Ultan-in-Caeyin. Das Rund war verlassen, es gab keinerlei Hinweise, dass sich früher am Tag jemand hier aufgehalten hatte. Ungefähr dreitausend Ynissul und eine kleine Garde aus TaiGethen waren im Regenwald verschwunden.
»Das ist nicht nötig«, entschied Sildaan. »Wir wissen, wohin sie wollen.«
»Und die Priester in Aryndeneth? Wir sollten doch versuchen, sie zu warnen.«
Sildaan zuckte mit den Achseln. »Sie sind klug. Sie werden mir die Schuld geben und behaupten, sie kümmerten sich um jene, die ich im Stich gelassen habe. So sollten sie sich jedenfalls verhalten. Ich kann niemandem helfen, der sich nicht selbst hilft.«
»Wo ist Leeth?«
»Leeth ist einen anderen Weg gegangen.« Sildaan wich seinem Blick aus und kehrte dem Ultan den Rücken, um über die Brücke in die Stadt zurückzukehren. »Komm mit. In zwei Stunden läuft die Flotte im Hafen ein. Bis dahin müssen wir noch viele Al-Arynaar zusammentreiben. «
Hithuur rührte sich nicht sofort, sondern starrte Sildaan hinterher. Sie hatte sich verändert, sie war härter geworden. War es wirklich so, wie Llyron gesagt hatte? Konnten die Elfen sich wirklich nicht anders verhalten, als es die Anlagen ihres Volks diktierten? Sildaan verkörperte dies jedenfalls mit grausamen Augen und eiskalter Seele. Vor zehn Jahren war sie geehrt und in die Priesterschaft von Aryndeneth aufgenommen worden. Damals hatte sie nur davon gesprochen, die Harmonie zu verbreiten und unzerstörbare Bindungen zwischen den Linien zu erschaffen.
Dann hatte Llyron sie in den Tempel des Shorth im Regenwald gerufen. Dort hatte die Veränderung eingesetzt. Auf Hausolis hatte sie nie gelebt, die wahren Schrecken des Krieges hatte sie nie kennengelernt. Sie sehnte sich so sehr nach der Gewalt, dass es Hithuur übel wurde. Llyron hatte ihm einen Weg gewiesen, als er völlig verzweifelt erkannt hatte, dass seine Familie tot war, hinter dem zerstörten Tor verloren. Hithuur glaubte an die Lektionen, die Llyron predigte, hielt ihre Methoden, um die Ziele zu erreichen, jedoch für falsch. Es tat ihm weh, dass er Jarinn so hintergangen hatte. Er fürchtete, nie wieder ohne Alpträume schlafen zu können. Das hatte der Hohepriester nicht verdient.
Sildaan hatte nicht bemerkt, dass er ihr nicht gleich gefolgt war. Seufzend setzte er sich in Bewegung. Garan, der Anführer der Menschen, dieser hässliche große Kerl mit den Entzündungen im Gesicht und dem abgrundtiefen Hass in den Augen, trottete an ihm vorbei und legte Sildaan eine Hand auf die Schulter. Sie befreite sich mit einem Ruck, drehte sich empört zu ihm um und stieß ihn fort.
»Sagte ich dir nicht, dass du mich nie wieder berühren sollst, Kurzlebiger?«
Garan spreizte die Finger. »Immer mit der Ruhe. Wir arbeiten doch zusammen, oder? Ich will mich nur vergewissern, dass du das Richtige tust.«
»Hast du schon wieder Zweifel?«
Garan machte eine resignierte Miene. Hithuur verfolgte den Austausch mit zunehmendem Interesse.
»Wer sonst soll dein Gewissen sein, da Leeth nicht mehr da ist?«
Auf einmal funkelten Garans Augen. Sildaan zischelte mit zusammengebissenen Zähnen und warf Hithuur einen kurzen Blick zu. Offenbar gefiel es ihr nicht, dass er zuhörte. Sie entfernte sich und winkte Garan, ihr zu folgen. Hithuur lächelte. Sein Gehör war ungewöhnlich gut. Im Moment regnete es nicht, und außer dem allgegenwärtigen Lärm aus dem Dschungel gab es nicht viel, was beim Lauschen störte.
»Erwähne ihn nicht mehr. Nenne nie mehr seinen Namen. Vergiss nicht, wer dich bezahlt und wer dich am Leben hält.«
»Ich halte mich selbst am Leben, Sildaan. Das ist meine Aufgabe. Wer mich bezahlt, vergesse ich natürlich nicht. Du bezahlst mich, damit ich dir Ratschläge erteile und dir mit dem Schwert helfe. Deshalb will ich wissen, warum du eine bedeutende Anzahl deiner schlimmsten Feinde und dreitausend Ynissul einfach in den Regenwald davonspazieren lässt. Da draußen werden sie sich zusammenrotten und verbissen gegen dich arbeiten. Du sagst, ihr seid nicht viele.« Er deutete mit dem Daumen über die Schulter. »Das da ist ein beträchtlicher Teil der heute noch lebenden Ynissul, oder?«
Sildaan fuhr sich mit den Fingern durch die Haare und schüttelte langsam den Kopf. Hithuur konnte beobachten, dass Garan empört auffuhr, als sie »Tsk-tsk« machte.
»Genau das ist der Grund dafür, dass du mir, abgesehen vom Töten mittels Klinge und
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