Einst herrschten Elfen
Garan. Verwechsle die zierliche Gestalt nicht mit Schwäche. Takaar hat sie nicht von ungefähr zur Oberin der Al-Arynaar gemacht.«
»Ich wollte niemanden beleidigen.«
»Um deine Frage zu beantworten: Ich glaube, es könnte interessant sein, auf dem Rückweg am Shorth-Tempel vorbeizuschauen und es herauszufinden. Was würdest du denn tun?«
»Ich glaube, ich würde auf Llyron setzen.«
»Das dachte ich mir. So feige wird Pelyn vermutlich nicht sein. Wollen wir wetten?«
»Eine Wette mit einer, die das Denken der Elfen so gut kennt? Lieber nicht.«
»Ich bin nicht sicher, ob ich enttäuscht sein soll oder nicht«, erklärte Llyron. »Eure Überzeugung und euren Mut kann ich nur bewundern, und natürlich werde ich für eure Seelen beten, die zweifellos in Shorths Armen Gnade und Geborgenheit finden werden. Allerdings halte ich das im Grunde für eine Verschwendung.«
Pelyn schwieg. Sie, Methian und Jakyn hatten im Laufe der Nacht alles besprochen, was es zu besprechen gab. Sie hatten gebetet, Pläne geschmiedet und sich alles genau überlegt. Jetzt schwiegen sie und konnten nur noch ein wenig über Llyron staunen, die sich aufführte, als hätten sie es lediglich versäumt, sich um irgendwelche kleinen Pflichten zu kümmern.
Inzwischen lagen sie nicht weit von der Tür entfernt im Schatten. Man hatte sie ausgezogen und in die Mäntel eingenäht, so dass nur noch die Gesichter aus den Kapuzen herausschauten. Außerdem hatte man Seile um sie geschlungen, damit sie nicht fliehen konnten.
»Früher sprach man vom ›Einpflanzen‹«, erklärte Llyron. »Ich habe es nachgeschlagen. Der schuldige Elf wurde eingenäht, in den Wald gebracht und auf dem Boden liegen gelassen wie eine Samenkapsel, die von einem Baum gefallen ist. Gewöhnlich machten sich die Ameisen als Erste an die Arbeit. Natürlich auch Käfer, Blutegel und Fliegen. Eidechsen mit Stacheln. Schlangen waren wohl besonders interessant. Sobald der Geruch von Blut in die Luft stieg, tauchten auch Panther, Hunde und Affen auf. Es war eine sehr fantasievolle Strafe und eine wirkungsvolle Abschreckung. Eine Art Rückführung bei lebendigem Leibe. Vielleicht sollte ich das allgemein wieder aufgreifen. Nun ja, die Ameisen und Schlangen werden euch nicht kümmern, wohl aber die großen intelligenten Raubtiere. Nun denn, Jakyn. Ich glaube, dich werde ich den Gyalan übergeben. Das wird sicher unangenehm. Sie sind wie üblich sehr verbittert, und du bist ein kräftiger junger Cefan. Methian, bei dir sind es die Apposan. Woran liegt es eigentlich, dass Erde und Regen nie wirklich gut miteinander auskommen? Pelyn, du kommst zu den Tuali. Wie ich hörte, hast du gestern im Hafen ein paar deiner eigenen Leute abgeschlachtet. Meinst du nicht auch, dass sie jetzt äußerst wütend auf dich sind? Zuerst dachte ich an die Beethan, aber die würden dir nicht einmal mehr Zeit lassen, um dein Leben zu flehen, sondern dich auf der Stelle zerstückeln.«
Llyron hielt inne, betrachtete die drei Gefangenen und schüttelte den Kopf.
»Ihr habt es sicher sehr unbequem, aber besser als jetzt wird es euch während eures restlichen Lebens nicht mehr ergehen. Draußen warten schon eure Karren.«
ZWANZIG
Ein General, der innehält und nachdenkt, bringt seine Armee in Gefahr.
J eder wurde auf einen anderen Ochsenkarren verfrachtet und entgegen der Fahrtrichtung aufrecht hingesetzt. Kurz darauf fuhren die Karren, auf denen Methian und Jakyn saßen, in die betreffenden Viertel. Hochrangige Priester begleiteten den Transport. Pelyn gelangte in den Park des Tual, wo sich die Linie versammelte, ehe sie sich aufmachte, um in anderen Stadtteilen Überfälle zu verüben.
Pelyn hätte sich geschmeichelt fühlen sollen. Vor ihrem Karren fuhr die große rote Kutsche, in der Llyron saß. Die Flaggen, die Leibwache der Senserii und die sofort erkennbare Gestalt Llyrons zogen Neugierige an wie eine frische Leiche die Fliegen. Vertreter aller Linien, an denen sie vorbeikam, grüßten ehrerbietig, und eine stetig wachsende Traube von Schaulustigen begleitete die Fuhre. Offenbar vergaßen sie in ihrer Neugierde sogar die Differenzen.
Es kam nur höchst selten vor, dass Shorths Hohepriesterin sich öffentlich zeigte. Normalerweise ließ sie sich nur beim Tod des Hohepriesters des Yniss und bei der Abschiedsfeier der Seelen blicken. Natürlich konnte man sie auch während der Debatten im Gardaryn sehen, doch die Hohepriesterin des Shorth war stets von Geheimnissen umwittert und
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