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Einstein - Einblicke in Seine Gedankenwelt

Einstein - Einblicke in Seine Gedankenwelt

Titel: Einstein - Einblicke in Seine Gedankenwelt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Moszkowski
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Geistesbildung aussehen wird.
    Mit einer merklichen Einschränkung des Sprachbetriebes wird man sich abzufinden haben. Es fragt sich nur, wie weit hiervon die Grundlagen betroffen werden, die durch Jahrhunderte unter dem Sammelbegriff Humaniora das Bildungswesen der höheren Schulen gestützt haben. Die Grundansichten der Reform, die schon aus Gründen der veränderten Zeiteinteilung und der Kraftersparnis nicht mehr sprachbetont auftritt, weisen darauf hin, daß von den lateinischen und griechischen Fundamenten nicht sonderlich viel übrig bleiben wird.
    Wir haben erfahren, daß Einstein, ohne sich grundsätzlich gegen die Altklassizität auszusprechen, doch kein sonderliches Heil mehr von ihr erwartet. Heute liegen die Dinge aber so, daß man kaum noch vor die Frage gestellt wird, ob man sie allenfalls noch in Resten erhalten will. Wer sich nicht mit ganzer Überzeugung für sie einsetzt, der verstärkt in der Wirkung den mächtigen Chor derjenigen, die sie radikal bekämpfen. Und zu den Mitgliedern dieses Chores gehören, merkwürdig genug, viele sprachbeflissene Autoritäten, die auf unserem Boden Einfluß besitzen, da sie mit dem Programm der Sprachrettung auftreten.
    Nicht die Sprache an sich wollen sie retten, sondern die deutsche, und als deren Feind und Verderber bezeichnen sie die gymnasialen Humaniora, oder wie sie es ausdrücken: die »Humanisterei«. Wie sie das auffassen, ergibt sich aus ihren Leitsätzen, von denen ich einige nach den Originalworten ihres Parteiführers anführen möchte:
    »Bis zu dem Wagnis des Thomasius (der zuerst 1687 Vorlesungen in deutscher Sprache ankündigte), war die deutsche Gelehrsamkeit die Hauptfeindin der deutschen Sprache. – Nicht von den humanistischen Affen der alten Lateiner hat Luther seine Vorbilder fürs Deutsche genommen. Bei vielen neben Lessing und Goethe gewahren wir das deutliche Bestreben, sich von dem Wust der deutschen Humanistenzeiten zu befreien. – Die Überlieferung des scheingelehrten Wortgeschwöges reicht, wie die meisten Grundlaster des Gelehrtenstils, bis in die Humanisterei. – Die tiefe, bleibende Deutschverderbung durch das lateinische Blutgift hat erst der Humanismus des 16. Jahrhunderts dem Körper der deutschen Sprache eingeträufelt.«
    Und ganz folgerichtig verbreitern diese Wortrufer ihre Attacke gegen die ganze Front der Gelehrsamkeit überhaupt. Denn die gesamte Gelehrtenwelt steckt nach ihrer Ansicht tief im Sprachmorast der überlieferten latein-griechischen Humanisterei. »Das ganze Sprachunheil unserer Zeit«, so sagt jener Führer, »kommt im Grunde von der Wissenschaft her, die mit ihrer Kastendünkelsprache, ohne die geringste Begriffsbereicherung durch bloßes Wortgeklingel den Schein einer besonders neuen, besonders tiefen Geheimwissenschaft erzeugen will und bei den Unkundigen leider oft wirklich erzeugt ... Behörden und Sprachvereine mögen noch so viele schmutzige Zuläufe reinigen und verstopfen, aus immer neuen Schlammgruben und Sielen sickert ununterbrochen üble Jauche in den stolzen Strom unserer Sprache«.
    So identifiziert sich der Angriff auf das latein-griechische Sprachfundament in den Schulen mit dem Kampf gegen die Gelehrtenwelt im allgemeinen, und ein Gelehrter, der das altklassische Bildungsmittel nicht bis zum äußersten verteidigt, gerät unbewußt in die Bundesgenossenschaft der Kämpen, die im letzten Grunde ihm selbst an die Gurgel wollen.
    Diese Gefahr darf nicht unterschätzt werden. Sie, als eine Kulturgefahr ersten Ranges, ist es vornehmlich, die mich veranlaßt, hier offen Farbe zu bekennen. Ich stütze kein schulpaukerisches, noch pennälerhaftes Bewußtsein. Allein ich wende mich, wie ich nur kann, in Wort und Schrift gegen die Antihumanisten, deren Losung »Für die Sprache« letzten Endes bedeutet »gegen die Wissenschaft«!
    Ihnen dürfen keine Waffen geliefert werden, und das einzige Mittel, sie ihnen vorzuenthalten, besteht meines Erachtens in dem nachdrücklichen Bekenntnis, wie es die Klassiker unseres Schrifttums fast ohne Ausnahme auf offener Fahne vor sich hergetragen haben.
    Dieses Bekenntnis ist sprachlich wie sachlich durchaus als ein lateinisch-griechisches zu verstehen. Es bildet Stern und Kern des Lebens und der Werke der Männer, um derentwillen Bulwer unser Land als das Land der Dichter und der Denker ausgerufen hat. Die Überfülle ist so groß, daß es kaum angeht, einzelne Namen wie Goethe, Lessing, Schiller, Wieland, Kant, Schopenhauer herauszugreifen. Wir besäßen eine

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