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Einstein - Einblicke in Seine Gedankenwelt

Einstein - Einblicke in Seine Gedankenwelt

Titel: Einstein - Einblicke in Seine Gedankenwelt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Moszkowski
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Instanzenzuge unterliegen, mit Ausschluß einer allerletzten Instanz, über die hinaus eine Berufung nicht mehr möglich ist. Jede neue Erfahrung im Ablauf der Naturgeschehnisse kann die Notwendigkeit einer neuen Verhandlung vor einer höheren Instanz begründen, der dann die Aufgabe zufällt, das von uns formulierte Gesetz anders oder schärfer zu fassen, mit einem höheren Grad der Annäherung an die Wirklichkeit.
    Man vergegenwärtige sich einige der wertvollsten Aussprüche, die von modernen Forschern über das Wesen der Naturgesetze erflossen sind, und man wird erkennen, daß sie alle durch ein einheitliches Gedankenband verknüpft sind, nämlich durch das Zugeständnis, daß auch im sichersten Gesetz ein ungelöster Rest bleibt, der uns verpflichtet, eine erhöhte Annäherung an die Wahrheit, wenn auch nicht für stets erreichbar, so doch als denkmöglich zu erachten.
    Die Mechanik liefert uns den Ausdruck der Gesetze in Gleichungen, deren Bedeutung Robert Kirchhoff 1874 durch eine auf der ganzen Linie der Naturforscher als zutreffend erkannte Definition erläutert hat. Danach ist es die Aufgabe der Mechanik: die in der Natur auftretenden Bewegungen vollständig und in der einfachsten Weise (nicht zu erklären, sondern) zu beschreiben.
    Die Forderung nach Einfachheit leitet sich her aus der Grundauffassung der Wissenschaft überhaupt, als einer Ökonomie desDenkens. In ihr spricht sich der Denkwille des Menschen aus, mit dem Aufwande des geringsten Kraftmaßes das Maximum von Ergebnissen zu erreichen und mit dem kleinsten Aufgebot von darstellenden Zeichen die größte Summe von Erfahrungen zu umspannen. Nehmen wir, nach Mach, zwei einfache Beispiele: Kein menschliches Gehirn ist der Aufgabe gewachsen, sich alle möglichen Geschehnisse des freien Falls vorzustellen, und man darf sogar bezweifeln, ob selbst ein Übergeist, wie der von Laplace imaginierte, dazu imstande wäre. Merkt man sich aber das Galileische Fallgesetz und den Wert der Schwerbeschleunigung, was ganz leicht und einfach ist, so ist man für alle Fälle gerüstet und besitzt eine auch der bescheidenen Auffassungskraft zugängliche kompendiöse Anweisung, alle vorkommenden Fallbewegungen in Gedanken nachzubilden. Ebenso könnte kein Gedächtnis der Welt alle verschiedenen Fälle der Lichtbrechung fassen. Statt uns auf diese unendliche Überfülle aussichtslos einzurichten, merken wir uns bloß das Sinusgesetz und die Brechungsexponenten für die vorkommenden Paare von Medien; so können wir jeden beliebigen Fall der Brechung ohne Schwierigkeit nachbilden oder ergänzen, zumal es uns freisteht, das Gedächtnis durch schriftliche Aufbewahrung der Konstanten vollständig zu entlasten. Hier haben wir also Naturgesetze, die uns einen umfassenden, abgekürzten Bericht über Tatsachen erstatten, und der Forderung nach Einfachheit im hohen Grade genügen.
    Aber diese Tatsachen bauen sich aus Erfahrungen auf, und es ist nicht ausgeschlossen, daß irgend eine neue unvermutete Erfahrung eine neue Tatsache entschleiert, über die das Gesetz nicht erschöpfend mitberichtet. Dann wären wir gezwungen, die Fassung des Gesetzes zu berichtigen und eine weitere Annäherung an den vergrößerten Tatsachenkreis zu versuchen.
    Der Trägheitssatz steht nach menschlichem Ermessen in seiner Einfachheit und Vollständigkeit als unübertrefflich da, er erscheint uns ganz elementar. Aber dieser Satz, der nach dem Erlöschen der bewegenden Kräfte dem Körper eine gleichförmige, gradlinige Bewegung zuschreibt, hebt doch aus unendlich viel Denkmöglichkeiten nur eine einzige als maßgebend für unsere Vorstellung hervor. Einem denkenden Kinde leuchtet er nicht ein, und man könnte sich einen in anderem Fach sehr tüchtigen Gelehrten vorstellen, dem er ebenfalls nicht einleuchtet. Denn a priori ist es durchaus nicht feststehend, daß sich ein Körper nach Erlöschen der Kräfte überhaupt fortbewegt. Wäre der Satz an sich evident, so hätte er nicht erst entdeckt zu werden brauchen, von Galilei im Jahre 1638. Nichtsdestoweniger, für uns ist er vollund ganz mit Selbstverständlichkeit umkleidet, und wir vermögen uns nicht vorzustellen, daß er diese jemals verlieren könnte. Weil wir eben an den derzeitigen Vorstellungskreis gebunden sind, der nicht weiter reichen kann, als bis zur Summe der in Vererbung und Anpassung aufgearbeiteten Sinneswahrnehmungen oder Erfahrungen. In einem sehr fernen Menschengeschlecht könnte der Durchschnittskopf einen Galilei so weit überragen,

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