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Einstein, Orpheus und andere

Einstein, Orpheus und andere

Titel: Einstein, Orpheus und andere Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Samuel R. Delany
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Lobey«, – er hob den Kopf – »aus meinem grünen Haus entfliehen, du wirst auf dem Sand herumscharren wie eine blinde Ziege und versuchen, den Halt am Rand eines Felskamins nicht zu verlieren …«
    »Wieso weißt du über …«
    »Du wirst stürzen und dir das Genick brechen.« Er drohte mir mit einem Finger, der Krallen trug wie der Little Jons. »Komm zu mir, Lo Lobey!«
    »Wenn ich dich finde, gibst du mir dann Friza zurück?«
    »Ich habe dir doch schon Le Dorik für eine kleine Weile zurückgegeben.«
    » Kannst du mir Friza zurückgeben?«
    »Ich behalte alles, was ich töte. In meinem eigenen privaten Käfig.«
    Wieder ein feuchtes Lachen. Wasser in einer Pfeife, denke ich.
    »Kid Death?«
    »Was ist?«
    »Wo bist du?«
    Der Klang schrammte über Elfenbeinnadeln.
    »Woher kommst du, Kid Death? Wohin gehst du?«
    Die langen Finger faserten aus wie Leinenseile, fingen Goldmünzen ein. Er schob Unkraut mit dem Fuß vom Gully fort. »Ich kochte in meiner Kindheit im Sand eines Wüstenkäfigs am Äquator, und kein Wärter liebte mich. Wie du, lebensfroh in deinem Dschungel, wurde ich von Erinnerungen an die gehetzt, die unter dieser Sonne lebten, ehe die Eltern unserer Eltern hierher kamen, diese Körper angenommen haben, diese Liebe, diese Angst. Die meisten um mich im Käfig verdursteten. Zuerst rettete ich einige meiner Mitgefangenen, brachte ihnen Wasser, auf die Weise, wie Friza den Stein geworfen hat – o ja, auch das habe ich gesehen. Ich tat es eine Zeitlang. Dann tötete ich eine Zeitlang jeden, der zu mir in den Käfig gesteckt wurde, und holte mir das Wasser direkt aus ihren Körpern. Oft ging ich an den Zaun und starrte über die Wüste zu den Palmen der Oase hinüber, in der unser Stamm arbeitete. Ich hatte nie vor, den Käfig zu verlassen, damals, denn wie Fata Morganen auf dem Glitzernden, so durchschaute ich alle Augen der Welt: Ich sah, was du und Friza und Dorik sahen, wie ich sehe, was über diesen ganzen Arm der Galaxis wandert. Wenn das, was ich sah, mir Angst machte, dann schloß ich die Augen, mit denen ich sah. Das geschah Friza und Dorik. Wenn ich aber noch neugierig bin auf das, was durch diese Augen sichtbar wird, wenn ich neugieriger bin als erschreckt, dann öffne ich sie wieder. Und das geschah mit Dorik.«
    »Du bist stark«, sagte ich.
    »Das ist, weil ich aus der Wüste komme, wo der Tod in den heißen sandigen Eingeweiden der Erde tanzt. Und jetzt? Jetzt gehe ich tiefer und tiefer in die See.« Er hob die Augen, sein rotes Haar flutete nach hinten in dem flatternden Grün.
    »Kid Death«, rief ich wieder; er war jetzt viel weiter entfernt. »Warum warst du im Käfig? Du wirkst viel funktionaler als die Hälfte von den Lo und La in meinem Dorf.«
    Kid Death wandte den Kopf und schaute mich aus schrägen Augen an. Er spottete: »Funktional? In der Wüste geboren, ein bleichhäutiger Rotkopf mit Kiemen?«
    Das klaffende saufende kleine Haifischmaul wurde fortgespült. Ich zwinkerte. Ich konnte an nichts anderes denken, so nahm ich Papier aus dem Aktenschrank, breitete es unter dem Schaltpult aus und legte mich, müde und verwirrt, nieder.
    Ich erinnere mich, ich nahm ein Blatt auf und buchstabierte mich durch einen Absatz. La Dire hatte mir genug beigebracht, die Schallplattenetikette zu lesen, als ich eine Zeitlang über die Dorfarchive hergefallen war.
     
    Evakuiert obere Stellung mit aller angemessenen Eile. Alarmsystem zeigt Strahlung auf Normbasis. Detektoranlagen in größerer Tiefe sind installiert …
     
    Die meisten Wörter verstand ich nicht. Ich riß das Papier mit den Zehen in Hälften, viertelte es mit den Fingern und ließ die Fetzen auf meinen Bauch fallen, bevor ich meine Machete aufnahm, um mich in den Schlaf zu spielen.

 
6.
     
    Was also bedeutet edle Abstraktion? Sie bedeutet, daß wir zunächst die wesentlichen Bestandteile der Darstellung nehmen, dann die übrigen in der Rangordnung ihrer Bedeutung (so daß, wo immer wir innehalten, wir jeweils mehr gewonnen haben, als wir hinter uns lassen), und daß wir jedes Hilfsmittel benutzen, um dem Geist den Eindruck zu vermitteln, den wir erreichen wollen, ohne uns über die bloße pedantische Genauigkeit eines solchen Hilfsmittels Gedanken zu machen.
    John Ruskin / The Stones of Venice
     
    Ein Gedicht ist eine Maschine, mit der eine Wahl getroffen wird.
    John Ciardi / How Does a Poem Mean
     
    Stunden später – ich nehme an, es kann zwei gewesen sein, es kann zwölf gewesen sein – rollte ich unter dem

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