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Einstein, Orpheus und andere

Einstein, Orpheus und andere

Titel: Einstein, Orpheus und andere Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Samuel R. Delany
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sich unter meinem Griff weich lösten. Es knirschte immer noch an meiner Wade. Meine Schwerthand war oben. Ich ließ sie fallen, aber sie verfing sich in einem Gewirr von Dornen. Etwas kratzte mich im Nacken. Und der ist leider nicht so robust.
    Übrigens (weil ich gerade daran denke), genauso wenig sind es meine Lenden, das Fleisch unter der Haut, die Stelle zwischen den Beinen, und hinter den Ohren, die Achselhöhlen … Ich machte in diesem Augenblick rasch eine Aufstellung aller empfindlichen Stellen. Die verdammten Blumen bewegen sich gerade langsam genug, um einem Zeit zum Nachdenken zu lassen.
    Dann pfiff etwas lang und heiß an meinem Schienbein vorbei. Blütenblätter bissen in die Luft. Die Pflanze hörte auf zu nagen und sank nervös rülpsend zu meinem Knöchel hinunter.
    Pinnnnng. Neben meiner Hand, und meine Hand wurde frei. Ich taumelte, hackte wieder eine Ranke ab. Eine aufgedunsene Rose glitt ein Drachenbein hinunter und kroch davon, um sich zu verbergen. Sie haben Verbindung, sicher, und jetzt war die Verbindung Angst und Rückzug. Aber die Musik! Mein Gott, die Musik!
    Ich wirbelte herum und blickte zum Felsen hinauf.
    Der Morgen war so weit fortgeschritten, daß der Himmel hinter ihm rot war. Er schnippte die letzte störende Blume vom Körper des Tieres – » Ssssss … platsch!« – und wickelte seine Peitsche auf. Ich rieb meine Wade. Der Drache wimmerte, unmelodisch.
    »Deiner?« Ich zeigte mit dem Daumen über die Schulter nach dem Tier.
    »War er.« Er atmete tief ein und aus, und seine knochige Brust stieg und fiel mit seinem Atem, die Rippen öffneten und schlossen sich wie Jalousien. »Wenn du mit uns gehst, gehört er dir – um auf ihm zu reiten jedenfalls. Wenn nicht, dann gehört er wieder mir.«
    Der Drache rieb seinen Schwanz treuherzig an meiner Hüfte.
    »Kannst du mit einer Drachenpeitsche umgehen?« fragte mich der Fremde.
    Ich zuckte mit den Achseln. »Das einzige Mal, daß ich überhaupt einen gesehen habe, war, als sich vor sechs Jahren ein paar Treiber verirrt hatten.« Wir waren alle den Beryl Face hinaufgeklettert und hatten zugesehen, wie sie ihre Herde Echsen durch den Grünglas-Paß zurücktrieben. Als Lo Hawk hinging und mit ihnen redete, kam ich mit, und damals habe ich die Sache mit dem Brandzeichen erfahren und daß es freundliche Ungeheuer sind.
    Der Fremde grinste. »Na, das ist lange her und wird immer wieder passieren. Ich schätze, wir sind etwa fünfundzwanzig Kilometer von unserer Route abgekommen. Willst du einen Job und einen Drachen zum Reiten?«
    Ich blickte auf die abgerissenen Blumen. »Ja.«
    »Gut. Da ist dein Reittier, und deine Arbeit besteht jetzt erstmal darin, es hier ’rauf zu bringen und dann zurück zur Herde.«
    »Oh.« (Also, wartet mal; ich erinnere mich, daß die Treiber oben hinter den Schulterwülsten des Tieres sitzen und daß sie ihre Füße irgendwie in seine schuppigen Achseln stecken. Meine Füße? Und sie halten sich an den zwei weißen schnurrbartähnlichen Dingern fest, die nach hinten aus den Kiemen wachsen. Igitt … Hm? Hoch, du blödes Vieh!)
    Wir zappelten ungefähr eine Viertelstunde im Dreck herum, Anweisungen wurden von oben heruntergebrüllt, und ich lernte Rüche, wie ich sie noch niemals gehört hatte, von diesem Kerl. Am Ende lachten wir beide ein bißchen. Der Drache stand, und wir waren am Strand, und er hatte mich ganz unabsichtlich schon wieder ins Wasser geworfen.
    »He, glaubst du wirklich, daß ich je auf diesem Ding reiten lerne?«
    Mit einer Hand half er mir hoch, mit der anderen hielt er mein Reittier am Schnurrbart fest, mit der dritten wickelte er seine Peitsche auf, und mit der vierten kratzte er sich einfach nur seinen wolligen Kopf. Das Haar hatte die Farbe von Little Jon. »Gib nicht auf. Ich hab’s auch nicht sehr viel besser gemacht, als ich anfing. Rauf mit dir.«
    Und ’rauf ging ich, und diesmal blieb ich oben, während des ganzen taumelnden Galopps den Strand entlang. Es fühlt sich so an, als ob man taumelt. Man stelzt.
    »Na, du kriegst es ja schon allmählich hin.«
    »Danke«, sagte ich. »Sag mal, wo ist die Herde, und wer bist du?«
    Er stand bis zu den Knöcheln im See. Der Morgen war jetzt hell genug, seine Brust und Schultern waren von meinem Gespritze mit Perltropfen verziert. Er lächelte und wischte sich das Gesicht ab.
    »Spinne«, sagte er. »Deinen Namen habe ich nicht verstanden …?«
    »Lo Lobey.« Ich schaukelte glücklich hinter den schuppigen Wülsten.
    »Sag nie zu

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