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Einstein, Orpheus und andere

Einstein, Orpheus und andere

Titel: Einstein, Orpheus und andere Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Samuel R. Delany
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Überraschung anstarrte. »Wo hast du das gehört?« fragte er.
    »Hab’ ich gerade erfunden, nehme ich an.«
    »Red keinen Stuß.«
    »Es ging mir einfach im Kopf herum. Ganz durcheinander, allerdings.«
    »Spiel das noch mal.«
    Ich tat es. Spinne begann eine der anderen Melodien zu pfeifen, die neben ihr herumschwirrten, und sie glitzerten und pulsierten gegeneinander.
    Als wir zu Ende waren, sagte er: »Du bist anders, nicht?«
    »So haben sie jedenfalls immer gesagt«, antwortete ich.
    »Sag mal, wie heißt denn nun dieses Lied? Es ist anders als die meiste Musik, die ich kenne.«
    »Es ist die Solosonate für Cello von Kodály.«
    Morgenwind schüttelte den Busch. »Die was?« fragte ich. Hinter uns jammerten Drachen.
    »Du hast sie aus meinem Kopf abgelesen?« fragte Spinne. »Du kannst sie vorher nicht gehört haben, es sei denn, ich bin hier herumgegangen und habe sie gesummt. Und ich kann kein dreistimmiges Crescendo summen.«
    »Ich hab’s von dir?«
    »Diese Musik geht mir schon wochenlang im Kopf ’rum. Hab sie in einem Konzert in Branning-at-Sea gehört, im letzten Sommer, am Abend bevor ich aufgebrochen bin, um die Eier in den Sumpf zurückzubringen. Später entdeckte ich eine LP mit dem Stück in der Musikabteilung der Ruinen der alten Bibliothek in Haifa.«
    »Ich habe es von dir gelernt?« Und plötzlich wurde mir vieles klar, zum Beispiel, wie La Dire wissen konnte, daß ich anders war, wie Nativia behaupten konnte, ich sei anders, als ich anfing, Bill Bailey zu spielen. »Musik«, sagte ich. »Von da kommt also meine Musik.« Ich setzte die Klingenspitze auf den Boden und lehnte mich auf die Machete.
    Spinne zuckte mit den Achseln.
    »Ich glaube nicht, daß ich alles von fremden Leuten kriege«, sagte ich und runzelte die Brauen. »Anders?« Ich ließ den Daumen über die Schneide laufen, die Zehen über die Löcher gleiten.
    »Ich bin auch anders«, sagte Spinne.
    »Wie?«
    »So.« Er schloß die Augen, und an seiner Schulter schwollen Muskelwülste auf.
    Die Machete zuckte mir aus der Hand, sie hob sich aus dem Boden und wirbelte durch die Luft. Dann fiel sie mit der Spitze nach unten in den Schaft eines Baumstamms neben dem Feuer. Spinne öffnete die Augen und atmete tief ein.
    Mein Mund stand offen. Darum machte ich ihn zu.
    Alle anderen fanden das ganze sehr lustig.
    »Und mit Tieren«, sagte Spinne.
    »Wie?«
    »Mit den Drachen. Bis zu einem gewissen Grad bringe ich es fertig, daß sie ruhig bleiben, ich kann sie ganz gut zusammenhalten und gefährliche Tiere von uns ablenken.«
    »Friza«, sagte ich. »Du bist wie Friza.«
    »Wer ist Friza?«
    Ich blickte auf mein Messer hinunter. Die Melodie, mit der ich sie betrauert hatte, gehörte mir. »Niemand«, sagte ich, »jetzt niemand mehr.« Diese Melodie gehörte mir allein! Dann fragte ich: »Hast du jemals etwas von einem Kid Death gehört?«
    Spinne stampfte auf, brachte alle vier Hände nach vorn und legte den Kopf schief. Seine langen Nüstern blähten sich, bis sie ganz rund waren. Ich schaute von seiner Angst fort. Aber die anderen beobachteten mich, und so mußte ich doch wieder hinschauen.
    »Was ist mit Kid Death?« fragte Spinne.
    »Ich will ihn finden und …« Ich warf meine Klinge in die Luft und ließ sie wirbeln, wie Spinne es getan hatte, aber es war meine Hand, die sie in Drehbewegung setzte. Ich fing die Klinge im Fallen mit dem Fuß wieder auf. »Jedenfalls, ich will ihn finden. Erzähl mir von ihm.«
    Sie lachten. Es begann in Spinnes Mund, dann kam das Lachen ganz schwabbelig von Stinker, ein tiefes Zischen von Messer, Grunzen und Gegacker von den anderen, und es endete in Grünauges grünem Auge, ein Licht, das erlosch, als er sich abwendete. »Es wird ziemlich anstrengend für dich werden«, sagte Spinne endlich, »aber« – er erhob sich vom Feuer – »du hast schon die richtige Richtung eingeschlagen.«
    »Erzähl mir von ihm«, bat ich wieder.
    »Es gibt eine Zeit, über das Unmögliche zu sprechen, aber sie ist nicht dann, wenn es Arbeit zu tun gibt.« Er stand auf, griff in einen Leinensack und warf mir die Peitsche zu.
    Ich fing sie in der Mitte auf.
    »Steck deine Streitaxt weg«, sagte Spinne. »Das da singt, wenn es fliegt.« Seine Peitschenschnur wisperte über meinem Kopf.
    Alle gingen dann zu ihren Reittieren, und Spinne zerrte Zaumzeug und Sporen aus dem Vorratssack, und alles paßte gut über die Schulterwülste und Schuppen, wurde um die Vorderbeine festgezurrt; ich verstehe, warum er mir das Gefühl

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