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Einstein, Orpheus und andere

Einstein, Orpheus und andere

Titel: Einstein, Orpheus und andere Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Samuel R. Delany
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Beerensoße auf die Teller löffelte.
    »Messer, nimm deine Finger da ’raus!«
    »… wollte doch bloß mal probieren.« Aber die graue Hand zog sich zurück. In der Düsternis fiel Feuerschein auf eine Zunge, die über Lippen glitt.
    Batt reichte ihm einen Teller.
    Spinne bekam zuletzt. Aber wir warteten, bis er zu essen begann, jetzt, da der Boden des Topfes sichtbar war.
    »Nacht … Sand … und Drachen«, murmelte Stinker. »Jaaa«, und das war sehr richtig.
    Ich hatte gerade meine Klinge hervorgeholt, um zu spielen, als Spinne sagte: »Du hast heute morgen nach Kid Death gefragt.«
    »Hab’ ich.« Ich legte die Klinge in den Schoß. »Du hast was über ihn zu sagen?« Die anderen wurden still.
    »Ich hab’ dem Kid mal einen Gefallen getan«, sagte Spinne nachdenklich.
    »Als er in der Wüste war?« fragte ich und überlegte mir, was für ein Mensch das sein muß, der anders ist und Kid Death Gefallen erweist.
    »Als er gerade aus der Wüste kam«, sagte Spinne. »Er war in einer Stadt in eine Klemme geraten.«
    »Was ist eine ›Stadt‹?«
    »Du weißt, was ein Dorf ist?«
    »Ja doch. Ich komme aus einem.«
    »Und du weißt, was eine City ist.« Er deutete im Sand herum. »Also, ein Dorf wird größer und größer, bis es eine Stadt geworden ist, und dann wächst die Stadt und wächst, bis sie eine City geworden ist. Aber die Stadt, die ich meine, war eine Geisterstadt. Das bedeutet, sie stammt aus einer sehr alten Zeit, noch von den alten Bewohnern des Planeten. Sie hatte aufgehört zu wachsen. Die Gebäude waren alle aufgebrochen, die Abzugskanäle eingesunken, totes Laub jagte die Straßen hinauf und rund um die Stümpfe von Straßenlaternen; ein verlassenes Elektrizitätswerk, Ratten, Schlangen, Kaufhäuser, das sind die Dinge, die es in einer Stadt gibt. Außerdem die niedrigsten, dreckigsten Ausgestoßenen von einem Dutzend Spezies, bösartig, mit einer Bösartigkeit, die das Vorstellungsvermögen aller Intelligenz übersteigt. Denn wenn ein Gehirn dahinterstünde, wären sie alle prassende dekadente Herren des Bösen überall in der Welt, anstatt sich im Abfallhaufen einer Geisterstadt zu suhlen. Es sind Kreaturen, die man nicht einmal in einen Käfig stecken würde.«
    »Was hast du für ihn getan?« fragte ich.
    »Ich hab’ seinen Vater getötet.«
    Ich runzelte die Stirn.
    Spinne stocherte in einem Zahn herum. »Er war ein abscheulicher dreiäugiger, dreihundert Pfund schwerer Wurm. Ich weiß, daß er wenigstens sechsundvierzig Menschen ermordet hat. Er hat dreimal versucht, mich umzubringen, während ich mich in der Stadt herumtrieb. Einmal mit Gift, einmal mit einem Schraubenschlüssel, einmal mit einer Granate. Jedesmal verfehlte er mich und erwischte jemand anderen. Er hat ein paar Dutzend Bälger in die Welt gesetzt, aber immer noch viel weniger, als er umgebracht hat. Einmal, als wir uns gerade vertrugen, gab er mir eine seiner Töchter. Schlachtete und bereitete sie selber zu. Frischfleisch ist selten in der Stadt. Er hat einfach nicht damit gerechnet, daß einer seiner zahlreichen Nachkömmlinge aus einem Käfig, den er Tausende von Meilen weg verlassen hatte, ihm aus der Wüste nachfolgen würde. Und er hat auch nicht damit gerechnet, daß dieser Kleine ein Verbrechergenie, daß er ein Psychopath sein würde, ein völlig anderes Wesen. Kid und ich begegneten einander in dieser Stadt, in der sein Vater schwelgte, wie man es eben auf einem Misthaufen kann. Kid muß ungefähr zehn Jahre alt gewesen sein. Ich werde es nie vergessen.
    Ich hockte in einer Bar und hörte den Typen zu, die da herumprahlten und angaben. In der Ecke machten sie einen Ringkampf. Der Verlierer würde als Abendessen herhalten. Und dann kommt dieser dürre Karottenkopf hereingeschlendert und setzt sich auf einen Haufen Lumpen. Er blickte fast die ganze Zeit zu Boden, so daß man seine Augen nur durch dünnere Goldschleier sah. Seine Haut war seifenweiß. Er schaute dem Kampf zu, hörte auf das Geprahle, einmal machte er mit der Zehe eine Zeichnung im Staub. Wenn das Geschwätz langweilig wurde, kratzte er sich am Ellbogen und schnitt Gesichter. Wenn die Geschichten wild und aufregend wurden, erstarrte er, seine Finger verschränkten sich, er senkte den Kopf. Er hört zu wie ein Blinder. Als die Geschichten zu Ende waren, ging er ’raus. Dann flüsterte einer: Das war Kid Death! Und alle wurden still. Er war damals bereits ganz schön bekannt.«
    Grünauge war ein bißchen näher an mich herangerückt. Ein Schaudern

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