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Einstein, Orpheus und andere

Einstein, Orpheus und andere

Titel: Einstein, Orpheus und andere Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Samuel R. Delany
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Drachen fingen an, einander zu belästigen, und ich trieb sie mit der Peitsche auseinander. Sie schnappten ärgerlich nach der Peitschenschnur, erwischten sie aber nicht. Mein Atem raspelte mir die Kehle auf. Und doch, als die zwei sich entfernten, bemerkte ich, daß ich grinste. Ohne jemanden zu treffen, quälten wir uns durch den Tag, zufrieden und schreckerfüllt.

 
7.
     
    Wir schlichen uns aus den nächtlichen Wassern der Adria und fahren jetzt den Isthmus hinunter auf Piraios zu. Rechts und links am Horizont benagen riesige unförmige schöne Berge den Himmel. Das Schiff läuft angenehm im Morgen. Die Lautsprecher geben Französisch, Englisch auf; griechische Volksmusik. Sonne versilbert das frisch gespritzte Deck, brennt über dem Schornstein. Habe Deck-Passage genommen; frech und ganz offen ging ich gestern nacht in eine Kabine und schlief wunderbar. Heute morgen wieder hier draußen, frage mich, wie Griechenland EOUA beeinflussen wird. Das Kernthema des Buchs ist der Mythos. Diese Musik ist der Welt in der ich treibe, so sehr angemessen. Ich war mir bewußt, wie gut sie zu dem eingekapselten Leben in New York paßte. Ihre zerrissenen Harmonien sind dem Rest der Welt sogar noch kongruenter. Wie kann ich Lobey ins Zentrum des leuchtenden Chaos bringen, das diese Töne ausstößt? Habe gestern bis spät in die Nacht mit den griechischen Matrosen getrunken; in schlechtem Italienisch und noch schlechterem Griechisch redete ich mit ihnen über Mythen. Taki lernte die Orpheus-Sage nicht in der Schule oder aus Büchern, sondern durch seine Tante in Eleusis kennen. Wohin soll ich gehen, um sie zu erfahren? Die Matrosen, die so alt waren wie ich, wollten englische und französische Popmusik aus dem Transistor hören. Die älteren wollten die traditionellen griechischen Lieder hören. »Demotiki-Lieder!« rief Demo aus. »Alle jungen Männer wollen so bald wie möglich sterben, weil die Liebe sie schlecht behandelt hat!«
    »Nicht Orpheus«, sagte Taki, ein wenig geheimnisvoll, ein wenig blau. Wollte Orpheus weiterleben, nachdem er Eurydike verloren hatte! Es war eine sehr moderne Entscheidung, die er treffen mußte, als er sich entschloß, zurückzuschauen. Was ist der musikalische Gehalt davon?
    Tagebuch des Autors / Golf von Korinth, November 1965
     
    »Ich treibe schöne Drachen,
    der Drachenboß ist fein,
    ein Boß von feinen Drachen,
    ich treib ihm die Herde heim.«
     
    Grünauge sang das stumm, als wir aus den Sätteln fielen. Zum erstenmal in meinem Leben fing ich Worte genauso gut auf wie Melodien. Das erstaunte mich, und ich wendete mich um und starrte ihn an. Aber er schnallte gerade seinem Tier das Geschirr ab. Der Himmel war blaues Glas. Im Westen beschmierten Wolken den Abend mit schmutzigem Gelb. Die Drachen warfen lange Schatten in den Sand. Kohlen glühten in der behelfsmäßigen Feuerstelle auf. Batt war bereits mit dem Abendessen beschäftigt.
    »Die Kreuzung McClellan und Main Street«, sagte Spinne. »Wir sind da.«
    »Woher weißt du das?« fragte ich.
    »Ich bin schon mal hier gewesen.«
    »Aha.«
    Die Drachen hatten mehr oder weniger begriffen, daß wir wirklich anhielten. Viele legten sich nieder.
    Mein Reittier schnüffelte zärtlich mit der Schnauze an meinem Hals und warf mich dabei beinahe um, dann ließ es das Kinn in den Sand fallen, knickte auf den Vorderbeinen ein und ließ sein Hinterteil einfach fallen. Drachen machen das so. Sich niederlassen, meine ich.
    Zehn Schritte, und ich hatte das Gefühl, ich würde nie wieder gehen können. Ich band mir die Peitsche um die Hüfte, trat so nahe wie möglich an das Abendessen heran, ohne auf jemanden zu treten, und hockte mich nieder. Die überanstrengten Muskeln in meinen Beinen fielen zusammen wie Wassersäcke. Vorräte und Ausrüstungsgegenstände lagen auf einem Haufen neben uns. Spinne legte sich obendrauf, eine Hand hing über den Rand herunter. Ich starrte über das Feuer hinweg diese Hand an: weil sie genau vor meinen Augen hing, das war der einzige Grund. Und ich begriff ein paar Dinge über Spinne.
    Die Hand war breit, hing an einem knorrigen Handgelenk. Die Haut zwischen Daumen und Zeigefinger war verwittert wie Stein, die Falten zwischen seinen Fingerknöcheln waren voll schweißfeuchtem Schmutz. Ein Streifen Hornhaut lag über seiner Handfläche, direkt unter den abrupt ansetzenden Fingern – das kommt alles von harter Drachenarbeit. Aber ich sah auch am ersten Knöchel des Mittelfingers zum Zeigefinger nur Hornhaut. Und die

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