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Einstein, Orpheus und andere

Einstein, Orpheus und andere

Titel: Einstein, Orpheus und andere Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Samuel R. Delany
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hing über der City.
    »Ein wenig später wanderte ich draußen herum«, fuhr Spinne fort. »Ich sah ihn im See im Stadtpark schwimmen.«
    He! Mann Spinne! rief er aus dem Wasser.
    Ich ging zu ihm ’rüber und hockte mich ans Seeufer. Hallo, Kid.
    Du mußt meinen Alten für mich umlegen. Er langte aus dem Wasser und packte mich am Knöchel. Ich versuchte mich freizumachen. Kid beugte sich nach hinten, bis sein Gesicht unter Wasser war, und blubberte: Du mußt mir diesen kleinen Gefallen tun, Spinne. Du mußt einfach.
    Ein Blatt klebte an seinem Arm. Wenn du meinst, Kid.
    Dann stand er im Wasser auf, das Haar lang und dünn über seinem Gesicht, ein magerer, weißer, nasser Körper. Ich meine es!
    Hast du was dagegen, wenn ich frage, warum? Ich strich ihm das Haar aus der Stirn. Ich wollte sehen, ob er wirklich war: kalte Finger an meinem Knöchel, nasses Haar unter meiner Hand.
    Er lächelte, unschuldig wie eine Leiche. Hab’ nichts dagegen. Seine Lippen, Brustwarzen, die Nagelhaut an seinen Klauen waren runzelig. Es gibt noch immer unheimlich viel Haß auf dieser Welt, Kumpel Spinne. Je stärker du bist, desto empfänglicher bist du für die Erinnerungen, die in diesen Bergen, diesen Flüssen, diesen Meeren und Dschungeln spuken. Und ich bin stark! Ja, wir sind nicht menschlich, Spinne, Leben und Tod, das Reale und das Irreale sind nicht das gleiche für uns wie für die armselige Rasse, die uns diese Welt hinterlassen hat. Man erzählt uns jungen Leuten, man hat es sogar mir erzählt, daß wir, bevor die Eltern unserer Eltern hierherkamen, uns nicht um Liebe, Leben, Materie und Bewegung kümmerten. Aber wir haben einen neuen Lebensbereich in Besitz genommen, und wir müssen die Vergangenheit ausschöpfen, bevor wir mit der Gegenwart fertig werden können. Wir müssen das Menschliche überleben, wenn wir in unsere eigene Zukunft vorstoßen wollen. Die Vergangenheit erschreckt mich. Und deshalb muß ich sie töten – deshalb mußt du ihn für mich töten.
    Bist du mit ihrer Vergangenheit so eng verbunden, Kid?
    Er nickte. Binde mich los, Spinne.
    Was ist, wenn ich es nicht tue?
    Er zuckte mit den Achseln. Dann muß ich euch töten – alle. Er seufzte. Unten im Meer ist es so still … so ruhig, Spinne. Er flüsterte: Töte ihn!
    Wo ist er?
    Er watschelt die Straße entlang, die Stechmücken sind wie Staub im Mondlicht um seinen Kopf, seine Ferse rutscht in dem Rinnsal der Gosse aus, das aus dem alten Kirchenbrunnen sickert; er bleibt stehen, lehnt sich keuchend an die moosbewachsene …
    Er ist tot, sagte ich. Ich öffnete die Augen. Ich habe einen Betonblock von den Tragbalken losgemacht und heruntergleiten lassen –
    Wir sehen uns mal wieder. Kid grinste und ließ sich rücklings in den See fallen. Dank dir. Vielleicht kann ich gelegentlich mal was für dich tun, Spinne.
    Vielleicht wirst du das können, sagte ich. Er versank in dem silbernen Schaum. Ich ging in die Bar zurück. Sie hatten das Abendessen auf dem Rost.
    Nach einer Weile sagte ich: »Du mußt ziemlich lange in der Stadt gelebt haben.«
    »Länger, als mir lieb ist«, sagte Spinne. »Wenn du das leben nennen willst.« Er richtete sich auf und ließ den Blick rings um das Feuer schweifen. »Lobey, Grünauge, ihr zwei reitet während der ersten Nachtwache um die Herde. In drei Stunden weckt ihr Messer und Stinker. Ich und Batt übernehmen die letzte Runde.«
    Grünauge erhob sich neben mir. Auch ich stand auf, während die anderen sich schlafen legten. Mein Reittier war eingenickt. Der Mond stand am Himmel. Geisterhaftes Licht lief über die runden Rückenwirbel der Tiere. Staksbeinig, steifarmig kletterte ich auf den Rücken meines Reittiers, und Grünauge und ich begannen die Herde zu umkreisen. Ich klatschte die Peitsche gegen mein Schienbein, während wir ritten. »Wie kommen sie dir vor?«
    Ich erwartete keine Antwort. Aber Grünauge rieb sich mit einer schmutzigen Hand über den Magen.
    »Hungrig? Ja, ich glaube, alle sind das in diesem Sand.«
    Ich sah den dreckigen schlanken Jungen hinter dem schuppigen Buckel schwanken. »Wo kommst du her?« fragte ich.
    Er lächelte mir flüchtig zu.
     
    Mich gebar eine einsame Mutter,
    hab nicht Vater noch Schwester, noch Bruder.
     
    Ich blickte überrascht hoch.
     
    Bei den Wassern, da finde ich sie,
    meine Mutter, sie wartet in Branning-at-Sea.
     
    »Du kommst von Branning-at-Sea?« fragte ich.
    Er nickte.
    »Dann gehst du jetzt nach Hause?«
    Wieder nickte er.
    Schweigend ritten wir weiter, bis

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