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Einstein, Orpheus und andere

Einstein, Orpheus und andere

Titel: Einstein, Orpheus und andere Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Samuel R. Delany
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Branning-at-Sea?«
    »Also« – der Bucklige hakte die Daumen in den Gürtel – »es gibt etwa fünf Familien, die alles, was in Branning-at-Sea vor sich geht, unter Kontrolle haben; ihnen gehören alle Schiffe, sie kassieren die Mieten von der Hälfte der Häuser, zahlen wahrscheinlich deinen Lohn und werden diese Drachen aufkaufen. Sie und fünfzehn oder zwanzig Berühmtheiten wie die Taube nehmen Lo oder La für sich in Anspruch, wenn du sie persönlich anredest. Und man kann einigen ziemlich non-funktionalen Typen begegnen, die diese Titel tragen.«
    »Ja, aber wie soll ich sie denn erkennen, wenn ihre offensichtliche Funktionalität keine Rolle spielen?«
    »Du wirst sie erkennen, wenn du über sie stolperst – aber es ist nicht sehr wahrscheinlich, daß dir das passiert. Du kannst dein ganzes Leben lang in Branning-at-Sea verbringen, ohne auch nur ein einzigesmal jemanden mit Lo oder La anreden zu müssen. Aber wenn du herumläufst und jeden, den du triffst, betitelst, oder sauer wirst, wenn jemand dich nicht mit dem Titel anredet, dann wird man dich für einen Trottel halten oder für verrückt, oder im besten Fall wird man denken, daß du ein Bauerntölpel bist.«
    »Ich schäme mich nicht für mein Dorf!«
    Er zuckte die Achseln. »Ich hab’ ja nicht unterstellt, daß du das tust. Hab’ nur versucht, deine Frage zu beantworten.«
    »Ja. Ich verstehe. Aber wie ist das mit der Andersartigkeit?«
    Der Bucklige steckte die Zunge in die Wange, dann nahm er sie wieder weg. »In Branning-at-Sea ist Andersartigkeit eine Privatsache. Andersartigkeit ist das Fundament jener Gebäude, die Pfähle unter den Docks, die mit den Wurzeln der Bäume verwachsen sind. Die halbe Stadt wurde auf ihnen errichtet. Und die andere Hälfte konnte nicht ohne sie leben. Aber darüber in der Öffentlichkeit zu reden, stellt einen als schlecht erzogen und vulgär bloß.«
    »Die da reden davon.« Ich deutete zur Herde hinauf. »Ich meine, die übrigen Drachentreiber.«
    »Und die sind auch vulgär. Also, wenn du natürlich die ganze Zeit bei den Hirten herumhängen willst – und du kannst dein ganzes Leben so verbringen, wenn dir das Spaß macht –, dann kannst du soviel darüber quatschen, wie du willst.«
    »Aber ich bin anders …«, begann ich von neuem.
    Nachdem er es mir einmal erklärt hatte, war seine Geduld mit mir und dem Thema erschöpft.
    »… aber ich nehme an, es ist besser, wenn ich es für mich behalte«, schloß ich.
    »Keine schlechte Idee.« Er sagte das ernst.
    Aber wie sollte ich ihm von Friza erzählen? Wie konnte ich auf die Suche gehen, wenn unsere Andersartigkeit geheim war? »Du«, sagte ich nach einem peinlichen Schweigen. »Was machst du in Branning-at-Sea?«
    Die Frage gefiel ihm. »Och, ich betreibe ein kleines Haus der Begegnung, wo die Müden sitzen können, die Hungrigen essen können, die Durstigen trinken und die Gelangweilten Unterhaltung finden können.« Er beendete seine Verkündigung, indem er das rote Cape über seiner mißgestalten Schulter zurückschlug.
    »Ich werde kommen und dich besuchen«, sagte ich.
    »Nun«, sagte der Bucklige nachdenklich, »es kommen nicht viele Viehtreiber zu mir; es ist an sich recht vornehm dort. Aber wenn du mal eine Zeitlang in Branning-at-Sea gewesen bist und glaubst, du kannst dich benehmen, dann komm doch mit ein bißchen Silber im Beutel vorbei. Obwohl ich dir das meiste davon abnehmen werde, wirst du dich gut unterhalten.«
    »Ich werde sicher kommen«, sagte ich. Ich dachte an Kid Death. Ich wanderte die lange Nacht hinab. Ich suchte nach Friza. »Wie heißt du und wo kann ich dich finden?«
    »Mein Name ist Pistol, aber den kannst du vergessen. Du findest mich in der ›Perle‹ – so heißt mein Geschäft.«
    »Das klingt faszinierend.«
    »Es ist das Faszinierendste, was Leute wie du jemals gesehen haben«, sagte er bescheiden.
    »Dagegen kann ich so nichts sagen. Was machst du hier draußen so spät noch auf der gepflasterten Straße?«
    »Das gleiche wie du: Ich bin auf dem Weg nach Branning-at-Sea.«
    »Und woher kommst du?«
    »Mein unkultivierter Freund, deine Manieren sind unglaublich. Da du fragst, ich komme von Freunden, die außerhalb von Branning leben. Ich habe ihnen Geschenke gebracht; sie haben mir dafür andere Geschenke gegeben. Aber da sie nicht Freunde von dir sind, solltest du dich nicht nach ihnen erkundigen.«
    »Es tut mir leid.« Ich kam mir leicht idiotisch vor bei dieser Förmlichkeit, die ich nicht verstand.
    »Du

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