Einsteins Gehirn: Kriminalroman (German Edition)
begann wieder unkontrolliert zu zucken, als ich das sagte, und ich wusste,
dass ich diesmal zu weit gegangen war.
Nachmittags rief ein Privatsender
an, dessen Namen ich noch nie gehört hatte, und eine Frauenstimme fragte:
»Spreche
ich mit Albert Pottkämper, dem Jahrhundertgenie? Wir würden Sie gern zu einer Diskussionsrunde
bei Watt–2000 einladen.«
»Einladen
– zu welchem Thema?«
»Frauenfragen.«
»Sie meinen
Menstruationsprobleme?«
»Nein, nein,
Frauenfragen im Allgemeinen«, erklärte sie lachend.
Ich muss
gestehen, dass mir beim Klang ihrer Stimme ganz anders wurde. Wie schon damals mit
fünf Jahren vor dem Spiegel spürte ich wieder, welche ungeheuere Überlegenheit mir
in die Wiege gelegt worden war …
»Wie sind
Sie denn an mich geraten?«
»Oh, haben
Sie die Eilmeldung der Deutschen Presseagentur nicht gelesen?«
»Nein.«
»Sie werden
mit dem Bundespräsidenten, der Familienministerin und dem Vorsitzenden der Ethikkommission
im Fernsehen über Frauenfragen diskutieren.«
»Und wieso
zum Thema Frauen?«
»Wegen Ihrer
Sozialkompetenz und Ihres Sachverstands in allgemeinen Wertfragen, wenn ich Ihren
Doktorvater richtig verstanden habe.«
»Ist der
Mann nicht Fachmann für Ästhetik?«
»Und Mitglied
der Ethikkommission.«
Anscheinend
warf die Gute da einiges durcheinander. Nach einigem Hin und Her konnte ich ihr
die Information entreißen, dass mich Augusta als seinen »auf das Thema spezialisierten
Assistenten« für die Runde vorgeschlagen hatte. Ich nahm an, er wollte sich mit
diesem hinterlistigen Schachzug über mich lustig machen – nach dem Motto:
Mal sehen,
was der kleine Klugscheißer an Peinlichkeiten von sich gibt!
»Benötigen
Sie irgendwelche Unterlagen, um sich vorzubereiten?«, fragte sie.
»Nein, ich
pflege aus dem Gedächtnis zu zitieren.«
Ich ging sofort ans Telefon, um
Augusta wegen dieser unverschämten Provokation zur Rede zu stellen. Aber wie sich
herausstellte, hielt er sich bis zur Talkshow anlässlich einer Tagung in Südfrankreich
auf.
Immerhin
hatte er seiner Sekretärin eine Nachricht für die Medien hinterlassen. Darin riet
er den professionellen Wahrheitsverdrehern, »unbedingt wohlwollend die besonderen
Talente eines gewissen 14-jährigen Albert Pottkämper zu prüfen, weil dieser als
Aspirant für eine seiner nächsten Assistentenstellen in Erwägung gezogen würde«.
Also ein rechter Till Eulenspiegel, der Mann …
Die Presseagentur
hatte aus seinem Streich eine publikumswirksame Zeitungsente gemacht:
Jüngster Nominee der Geschichte
als Nachfolger
für Lehrstuhl vorgeschlagen!
Wie die vedischen Seher im alten
Indien schon früh erkannt haben: die Welt ist eine Bühne, Schaumschlägerei, verquirlter
Quark, Täuschung – Maya.
Das Universum
wäre ohne Betrachter gar nicht sichtbar, es wäre sozusagen »Ding an sich« und völlig
unbestimmbar in seinen Eigenschaften. Wir, die Zuschauer, verleihen ihm erst seine
Existenz. Im Grunde besteht das sichtbare Universum aus den sechs oder sieben Milliarden
menschlichen Bewusstseinen – wenn wir die Tiere außer Acht lassen –, die momentan
die Welt erleben, ob nun im Traum oder Tiefschlaf oder in der sogenannten Realität.
Und einige
Zeitungsfritzen halten diese Scheinwelt für die Wirklichkeit.
9
Mein Alter hatte unterdessen wieder
zu malen begonnen. Diesmal, wie er vorgab, im Stile eines noch unbekannten Malers,
den er »Ambrosius Nebelklein« nannte.
Ich sagte
ihm auf den Kopf zu, dass Nebelklein nur eine Ausgeburt seiner Fantasie sei, aber
er behauptete steif und fest, er hätte Ambrosius in einem winzigen brasilianischen
Nest kennengelernt, als er noch einer von drei führenden Managern bei »AÄG« gewesen
sei – »15 Häuser mit Wellblechdächern und ein Schnapsladen«. Inzwischen habe der
Maler sich in ein einsames Tal in den Schweizer Alpen zurückgezogen, um unbehelligt
von der Öffentlichkeit arbeiten zu können.
»Und dieser
Nebelklein hat nichts dagegen, dass du malst wie er?«
»Nein, warum
sollte er?«
»Wer will
schon Plagiate.«
»Es handelt
sich nicht um Kopien, sondern um Originale.«
Was mein
Alter malte, sah aus wie eine riesige Vagina, in die sich das Universum zurückzog.
Rot- und orangeglühende Wirbel taumelten samt Planeten, Sonnen und kompletten Spiralnebeln
in Richtung düster-bedrohliches Zentrum. Das Ganze erinnerte an ein sehr tiefes
Schwarzes Loch, nur dass man wenigstens genau sah, was darin verschwand.
Es gab etwa
15 verschiedenfarbige
Weitere Kostenlose Bücher