Einsteins Gehirn: Kriminalroman (German Edition)
Zitronenverkäufer
in Kenia geworden«, sagte ich. »Und Zitronen sind das Letzte, was ich irgendwo verkaufen
möchte.«
Nachdem
wir uns die Bäuche vollgeschlagen hatten, bedankte ich mich bei allen mit Handschlag
und einer langen Umarmung dafür, was für ein schöner Abend in der Bronx es doch
gewesen sei.
14
Ich hatte es mir gerade mit einem Four Roses Single Barrel 100 ° – was soll man in diesem Land sonst trinken
– in der vergoldeten Badewanne des Waldorf Astoria bequem gemacht, als das Telefon
klingelte.
»Volltreffer«,
sagte Newton von CNN. »Wir hatten die höchsten Einschaltquoten seit Bestehen der
Talkshow. Und wissen Sie, woran es lag?«
»Nein, am
Dalai Lama?«
»Unser Publikum
ist begeistert von Ihrer Idee des ›progressiven emotionalen Systems‹ – dass jeder
umso mehr Nutzen davon hat, je mehr sich daran beteiligen.«
»Oh, ich
glaube, es ist weniger eine Idee als eine große Möglichkeit, die in der Natur der
Sache liegt.«
»Nun stellen
Sie Ihr Licht mal nicht unter den Scheffel, Albert. Menschen im ganzen Land haben
spontan mit Nachbarschaftshilfe begonnen. Hausfrauen waschen die Wäsche hilfloser
Kranker. Rentner streichen die Zäune überlasteter Nachbarn. In Cincinnati wurde
ein ›Club der Progressiven‹ gegründet. Am Stadtrand von Chicago begannen Arbeitslose
mit dem Bau einer Straße zum Kinderheim. In Memphis brachte jemand ein volles Sparschwein
ins Fundbüro, das er vor einem Jahr auf einer Parkbank gefunden hatte. Und in der
Bronx wurde ohne Not ein Einbruch abgebrochen, obwohl der Safe der Transportfirma
schon verladen war. So sieht’s überall aus – das Land steht Kopf.«
»Schon verladen,
sagen Sie?«
»Sie haben
allen Grund, stolz auf sich zu sein.«
»Ich sehe
es mehr als immerwährende Kärrnerarbeit im Weinberg des Herrn.«
»Nach Meinung
vieler Zeitungskommentatoren liegt Ihr Verdienst vor allem darin, die Moral vom
Irrglauben reiner Selbstlosigkeit zu befreien.«
»Nichts
gegen Selbstlosigkeit. Aber sie steht uns offenbar nicht im selben Maße zur Verfügung
wie unser Eigennutz.«
Ȇberraschend
daran ist, dass es sich tatsächlich um eine einfache Rechenaufgabe handelt.«
»Mein Alter
würde sagen: Nun hast du dich sozusagen aus Versehen doch noch nützlich gemacht.«
»Und die
beste Neuigkeit zum Schluss, Albert – TIME Magazine wünscht ein Interview mit Ihnen.
Lassen Sie uns wetten? Man wird Sie auf die Titelseite bringen.«
Als ich morgens vergeblich die Reste
eines Grilltellers loszuwerden versuchte, die sich beim Abendessen in meinen Eingeweiden
verfangen hatten, hörte ich durch die Badezimmerwand des Waldorf Astoria eine Frauenstimme
jammern:
»Nicht eine
Minute länger, ach was, keine Sekunde, Holly … das war’s, das ist das Ende … mach
endlich Feierabend mit deinem verdammten Leben …«
Mir war
überhaupt nicht danach, mir irgendwelchen morgendlichen Katzenjammer anzuhören.
Ich hatte schon genug mit der Katastrophe in meinen Eingeweiden zu tun. Also hielt
ich mir einfach die Ohren zu, selbst auf die Gefahr hin, dass ich damit auf dem
Porzellantopf des Astoria einen ziemlich pittoresken Anblick bot. Doch gleich darauf
gab es ein höllisches Gepolter und Getöse und danach einen spitzen Schrei, als wenn
das ganze Hotel einstürzen würde …
Ich beendete
also mein Geschäft – was man so beenden nennt, wenn man keine Verdauung hat – und
eilte pflichtschuldig nach nebenan. Die Tür war unverschlossen, das Doppelbett leer
und zerwühlt und auf dem Fußboden im Badezimmer lag eine junge blonde Frau, bekleidet
mit einem fliederfarbenen Seidenbademantel. Ihre rechte Hand hielt ein Wasserglas.
Es war das,
was ich schon beim Klang ihrer Stimme befürchtet hatte. Es war Holly Chappell, der
berühmte Hollywoodstar.
Man hätte
glauben können, sie habe es sich nur mal eben zwischen den verstreuten Pillengläsern
und Tabletten bequem gemacht, wäre da nicht der von der Wand gerissene Toilettenschrank
gewesen.
»Na, das
ist ja eine Überraschung«, sagte ich und legte meine Hand unter ihren Kopf, um ihr
aufzuhelfen. »Was ist passiert?«
Sie atmete
noch, wenn auch schwach. Das Toilettenschränkchen schien sie nicht ernsthaft verletzt
zu haben, bis auf eine kleine Platzwunde über der rechten Augenbraue.
»Was ist
… wer sind Sie?«
»Der Mieter
von nebenan. Sie hatten Glück. Soll ich den Hotelarzt rufen?«
»Um Himmels
willen … keinen Arzt. Quacksalber sind das letzte, was ich brauchen könnte. Bitte
ein Glas
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