Einsteins Gehirn: Kriminalroman (German Edition)
die entgegengesetzte Richtung. Doch an der Art, wie sie mit den Zähnen
ihre Unterlippe malträtierte und die Fäuste ballte, war unschwer zu erkennen, was
in ihr vorging.
»Dein Freund
Herbert macht sich an meine Freundin heran.«
»Ich werde
mir eine Knarre kaufen und ihm eine Kugel zwischen die Augen jagen …«
»Das solltest
du lieber lassen. Vergiss nicht, dass du ein langes glückliches Leben mit ihm führen
wolltest.«
»Nein, ich
bringe ihn um.«
»Spielen
wir einfach verliebtes Brüderlein und Schwesterlein.«
»Das könnte
dir so passen. Was hältst du davon, wenn wir uns zu ihnen setzen und die beiden
mit Gesprächen über Gott und die Welt nerven?«
»Gute Idee«,
sagte ich. »Das dürfte Herbert mächtig auf den Wecker gehen.«
Also marschierten
wir mit ein paar Margaritas zu ihnen hinüber und bauten sie vor ihren Sonnenliegen
auf. Es waren acht Cocktails, für jeden zwei. Selbst ein geistig Behinderter hätte
sofort begreifen müssen, worum es ging.
»Was ist
los?«, fragte Herbert. »Habt ihr euch verlaufen?«
»Wir wollen
euch nur ein wenig Gesellschaft leisten«, sagte Anja. »Es ist doch nicht fair von
uns, wenn wir immer eigene Wege gehen. Gestern waren wir an der Freiheitsstatue,
vorgestern in Greenwich Village und heute am Broadway. So was gehört sich nicht
für Gäste.«
Holly nickte
gnädig und nahm zwei Gläser, eines für Schlagersänger Herbert und eines für sich.
»Hab mir
gestern meine Zähne bei einem eurer Modeärzte machen lassen«, sagte ich und deutete
auf mein intaktes Gebiss. »Zeig mal deine Zähne, Herbert – wären die nicht auch
was für Doktor McCain?«
»Unterhalten
wir uns lieber über Politik«, schlug Anja vor. »Das ist weniger peinlich.«
»Politik?«,
fragte Herbert. »Da lachen ja die Hühner. Du könntest doch keinen Bundestagsabgeordneten
von einem amerikanischen Senator unterscheiden.«
»Also, was
mich momentan mehr beschäftigt ist das schlechte Menschenmaterial auf diesem Planeten«,
sagte ich. »Die Probleme, die dadurch im Zusammenleben der Völker entstehen.«
»Welches
Menschenmaterial?«, fragte Herbert. »Was soll das schon wieder heißen?«
»Na, die
Tatsache, dass Treue nur ein leeres Wort ist und Rücksichtnahme was für Leute auf
dem Sterbebett.«
»Hört, hört,
jetzt hält er wieder einen seiner berüchtigten Vorträge«, feixte Herbert. Er wollte
verächtlich grinsend seinen Cocktail hinunterkippen, aber das klebrige Gesöff landete
größtenteils auf seiner behaarten Brust. Holly begann sofort dienstbeflissen mit
einer Serviette an ihm herumzutupfen.
»Man muss
sich ja fragen, wie es dabei um unseren freien Willen bestellt ist«, fuhr ich fort.
»Im Grunde wissen wir immer noch wenig über die Schaltstellen von Geist und Physis.
Im Kernspintomografen flackert irgendwo ein Licht auf, wenn wir Gedanken und Emotionen
haben, oder wir sehen Wellenmuster. Das ist auch schon alles.«
Herbert
hörte mir mit halb geöffnetem Mund zu. Sein Gesicht verzog sich angeekelt. Bei solchen
Themen fühlte er sich immer wie ein Nichtschwimmer, den man ins tiefe Schwimmbecken
stoßen wollte.
Anja feixte
und Holly grinste.
»Okay, Schwamm
drüber«, sagte ich. »Unterhalten wir uns lieber über deine Schnulzen. Wie ich höre,
spielt ihr immer Play-back, obwohl in euren Programmheften was anderes steht? Vor
kurzem habe ich einen netten kleinen Patzer beobachtet. Da fingst du bereits an
zu sprechen, als deine Gesangsstimme noch vom Band kam. War schon ziemlich peinlich.
Ich bin richtig ins Schwitzen geraten.«
»Bist doch
’n ziemlicher Klugscheißer, was?«, fragte Herbert. »Unser System arbeitet nämlich
mit Festplatten. Tonbänder sind Technik von gestern.«
Mehr fiel
ihm dazu nicht ein. Es lag wohl daran, dass Schnulzensänger mit dem Gehirn eines
Vierjährigen einfach bessere Chancen haben, in die Charts zu kommen.
»Was denn,
du singst Play-back?«, fragte Holly.
»Manchmal,
um meine Stimme zu schonen.«
»Ist das
nicht Betrug am Zuhörer?«
»Ich hab’s
eben schon vorher gesungen. Macht doch keinen Unterschied.«
Holly schüttelte
entsetzt den Kopf. Es sah ganz so aus, als wenn wir damit für den Rest des Tages
genügend Zwietracht gesät hätten. Nach einer halben Stunde belangloser Plaudereien
verabschiedeten wir uns von Holly und Herbert. Anja wollte ein wenig Shoppen gehen
und ich legte mich wieder in die Wanne, um meine Pillen zu nehmen und weiter meine
Auferstehung von den Toten zu betreiben.
Zu meiner Überraschung
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