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Einundzwanzigster Juli

Titel: Einundzwanzigster Juli Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ravensburger
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kleinen Rucksack mit hinausnehmen.
    »Nein, nein«, sagte Onkel Max mit einem nachsichtigen Seitenblick auf seine Frau, »wir lassen hier nur deine Tante heraus, sie muss sich ein wenig austoben.«
    Verwundert folgte ich ihnen durch den Wald, bis wir zu einer großen Holzbrücke gelangten. Ich liebe Brücken! Begeistert lief ich ein Stück voraus, lehnte mich über das Geländer und schaute zu dem kleinen Fluss hinunter, der sich etliche Meter unter uns durchs Gebirge wand. Als ich wieder aufschaute, stand meine Tante im Badeanzug da.
    »Bis nachher dann«, sagte sie und kletterte auf das Geländer.
    Ich war vom Donner gerührt. Ich konnte spüren, wie mir der Mund aufklappte und hängen blieb. Ich sah meine Tante die Arme ausstrecken, tief atmen, alle Sehnen und Muskeln sich anspannen ... und im nächsten Moment flog sie einfach davon.
    Es gab kaum einen Spritzer. Es war der anmutigste, vollkommenste Kopfsprung, den ich je gesehen hatte. Als sie wieder auftauchte, stieß sie einen Triumphschrei aus.
    Onkel Max warf ihr eine Kusshand zu und begann das Häuflein Kleider und Schuhe aufzulesen, das auf der Brücke lag. »Wollen wir?«, fragte er.
    Aber ich merkte gleich, dass ich noch ein wenig am Geländer würde hängen müssen. Meine Knie waren butterweich. Flussabwärts kraulte meine Tante mit kraftvollen Schlägen davon.
    Zu der Stelle, wo wir sie wieder einsammelten, fuhren wir bestimmt zwanzig Minuten. Sie saß auf einem Stein und wartete auf uns, einen stillvergnügten, vollkommen entspannten Ausdruck im Gesicht. Ich versuchte, kein Spaßverderber zu sein und sie nicht merken zu lassen, wie sehr sie mich erschreckt hatte, aber von Stund an ahnte ich, dass in meiner so unauffällig daherkommenden Tante Lexi etwas Wildes und Unvermutetes schlummerte.
    Ab dem zweiten Tag mit den beiden dachte ich beim Zubettgehen: nur noch fünf Tage ... nur noch vier ... oh nein, jetzt nur noch drei!, und begann Pläne zu schmieden, wie ich sie dazu bringen konnte, mich noch eine weitere Woche zu behalten.
    Ich mochte das herzliche Lachen meines Onkels. Ich mochte die freundliche, zugewandte Art, in der Tante Lexi mit mir sprach. Ich mochte, wie sie mir zuhörten.
    Ich mochte es, abends mit ihnen im Wohnzimmer zu sitzen – ich in einem großen weichen Sessel mit Fußbänkchen, Tante Lexi und Onkel Max zusammen auf beiden Seiten des Sofas, die Beine zum anderen hin ausgestreckt, jeder ein Buch in der Hand aus den bis zur Zimmerdecke reichenden Regalen hinter ihnen. Ich mochte die Stille, mit der sie sich am Ende des Tages umgaben, und die wechselnden Namen, die sie füreinander erfanden.
    »Bei euch kriegt man richtig Lust zu heiraten«, meinte ich, wonach sie auch von mir restlos entzückt waren. Wir tranken Bruderschaft und Max brachte mir das Schachspielen bei.
    Und dann, am vorletzten Tag, erzählten sie mir endlich von Fabian.
    Das Dröhnen am Himmel hat aufgehört. Ob Charlottenburg diesmal davonkommt? Aber die Sirene heult weiter, noch heißt es warten. Die Bomber haben auch einen Rückweg, und für den könnten sie sich etwas aufgehoben haben.
    Herr Becker steht auf und zieht sich in einen Winkel zurück, der mit einer Decke verhängt ist; noch auf dem Weg nestelt er zu meiner Empörung am Hosenschlitz. Der vornehme Herr Becker! Hinter dem Vorhang hören wir es hell und laut klimpern, der Kloeimer ist aus Metall.
    Ich würde mich am liebsten schütteln. Auf den Eimer gehe ich jedenfalls nicht! Ich kann lange einhalten, einen ganzen Tag, wenn es sein muss. Bei den Orientierungswanderungen in Oschgau haben Antonia und ich als zusätzliche Schwierigkeit einenWettbewerb im »Nichtpinkeln« ausgetragen. Gewonnen habe fast immer ich.
    Mein Bruder Fabian ist mit zwei Kameraden auf eine Mine gefahren. Sie hatte in der Einfahrt zu einem Bauernhof gelegen, wo die drei gern und oft Pasteten kauften. Eigentlich hätten sie wissen müssen, dass man nicht regelmäßig zu denselben Bauern geht. Eigentlich hätte ihnen bekannt sein müssen, dass es in Frankreich Partisanen gibt, Soldaten einer selbst erklärten Armee, die auf solche Gelegenheiten nur warten. Eigentlich, eigentlich. Und der sie an die Partisanen verraten hat, hätte wissen müssen, dass für jeden toten deutschen Soldaten zehn Franzosen sterben würden und dass die SS wahr macht, was sie androht.
    Fabians Kameraden waren auf der Stelle tot. Zwanzig Männer aus dem Ort, auch der Bauer und sein Sohn, wurden aus ihren Häusern geholt und an der Schulmauer erschossen.
    Mein

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