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Einundzwanzigster Juli

Titel: Einundzwanzigster Juli Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ravensburger
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Verrückten folgt!«
    »Ihr werdet euch wundern«, murmele ich. »Du und diese Leute!«
    »Ach Fritzi. Meinst du wirklich, wir sollten den Krieg noch gewinnen ?«
    »Ja, allerdings! Und ich bin nicht die Einzige, die so denkt!«
    »Weil sie euch bei der Hitlerjugend nichts anderes denken lassen !«, versetzt sie sofort. »Aber haben sie euch in letzter Zeit mal einen Blick in die Landkarte gestattet? Die eroberten Gebiete gehen verloren. Die Schlinge um Deutschland zieht sich zu. DieserKrieg kann höchstens noch mit Anstand verloren werden, doch das wird mit Hitler nicht passieren.«
    Entgeistert quetsche ich ein: »Still, Omama!« hervor.
    »Du redest wie meine Söhne. Die würden mich am liebsten nicht mehr allein ins Dorf lassen. Mich und Max, der war nämlich schon meiner Meinung, als Georg und Eckhardt noch von der Wiederherstellung deutscher Ehre träumten!« Mit Schwung zieht sie den Schlauch in ein anderes Beet hinüber. »Es ist gekommen, wie es kommen musste. Alle diese Länder, in denen wir nichts zu suchen hatten, gar nicht zu reden ...«
    »Ich glaube, ich gehe jetzt«, unterbreche ich sie enttäuscht. Ich hatte mich ehrlich gefreut, als Omama vorschlug, mit ihr in die Rosen zu gehen. Nicht dass ich Lexi vermisse, aber seit sie fort ist, scheinen die Tage vier oder fünf Stunden länger zu dauern.
    »... gar nicht zu reden von den Millionen unschuldiger Menschen, die wir auf dem Gewissen haben«, fährt Omama unbeirrt fort. »Frag Yps nach den russischen Zivilisten! Er hat versucht, gegen Erschießungen einzuschreiten, er hat sogar ein Gefängnis besetzen lassen, in das man die armen Seelen vor der Hinrichtung gesperrt hat – vergebens. Die Massaker sind nicht einmal untersucht worden. Und wenn die Gerüchte stimmen, die man über die Juden hört ...«
    Omama verstummt. Ihr Blick scheint sich zu verdunkeln.
    »Was hast du denn gehört?«, fordere ich sie heraus, aber sie gibt mir keine Antwort. Gut so – viel länger hätte ich mir ihre defätistischen Reden auch nicht anhören dürfen!
    »Habt ihr Neuigkeiten von deinem Vater?«, wechselt sie endlich das Thema.
    »Er ist immer noch bei der Heeresgruppe Mitte – früher im Hauptquartier in Smolensk, jetzt in einer Jägerdivision irgendwo in Polen. Ich weiß selbst, dass die Russen unsere Truppen zurücktreiben, Omama, aber der Generalstab bereitet längst die Gegenoffensive vor!«
    »Ach ja, richtig«, seufzt Omama. »Der Generalstab.«
    Sie dreht mir den Rücken zu, während sie sich den hinteren Teil des Beetes vornimmt; ihre herabhängenden Schultern haben mit einem Mal etwas sehr Niedergeschlagenes. Omama ist eine zarte, hübsche Person, und sie freut sich an zarten, hübschen Dingen.
    Plötzlich tut mir leid, dass ich so barsch geredet habe. »Ich glaube, bald wird alles gut«, versuche ich es noch einmal. Von der Seite schenkt sie mir ein halbes Lächeln.
    »Du hast noch immer nichts von Ostpreußen erzählt.«
    Zu meiner Überraschung wird mir auf einmal leichter ums Herz.
    »Ich kann nicht, Omama. Es gibt eine Abmachung. Ich erzähle es jemandem, sobald der Krieg vorbei ist.«
    »Ah«, sagt sie. »Ich kann mir denken, wem. Was immer es ist, bei ihr ist es gut aufgehoben.«
    Vorsichtig steige ich einige Schritte ins Beet hinein und nehme ihr den Schlauch aus der Hand. »Ich helfe dir, Omama. Ich kann mit Pflanzen umgehen, so viel zumindest kann ich aus meiner Zeit in Ostpreußen verraten ...«
    Das Gewitter bleibt aus. Am Nachmittag probiert Nelly auf Inas, Omamas und meinem Kopf Steckfrisuren aus, die sie in einer Frauenzeitschrift entdeckt hat. Vor dem Abendessen lese ich Caroline und Marie vor, wie es Nesthäkchen im Kindersanatorium auf Amrum ergeht, nach Tisch will ich wieder zu Lore in die Küche, um ein Foto von Bertold-Martin zu sehen.
    Die Ferien dauern noch bis weit in den August, doch was ich bis dahin mit mir anfange, entscheidet sich voraussichtlich schon morgen: Freitagabend trifft sich die örtliche BDM-Gruppe zwecks »Bewahrung und Pflege deutschen Brauchtums« zum Volkstanz. Tante Ina hat mit der Unterführerin gesprochen, man erwartet mich. Und dann? Volles Programm, nehme ich an. Der BDM wird den Teufel tun, ein williges Jungmädel sich selbst zu überlassen!
    Zum Abendessen soll es Kirschpfannkuchen geben, die Bäume auf unserer Obstwiese hängen prallvoll.
    »Sieh doch mal nach, was los ist, Fritzi«, bittet Omama, nachdem wir, obwohl sie zum zweiten Mal geklingelt hat, seit über zehn Minuten warten.
    Aber da stehen sie

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