Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Einundzwanzigster Juli

Titel: Einundzwanzigster Juli Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ravensburger
Vom Netzwerk:
hinter der zweiten erheben sich acht Ungarn und lupfen den Hut. Hinter der dritten finde ich endlich unsere Betten und unser Gepäck, aber da habe ich mich bereits restlos lächerlich gemacht.
    Ich klettere ins Etagenbett und ziehe mir die Decke bis an die Ohren. Ich kann hören, wie sie nebenan ins Männerzimmer zurückkehren. Da Onkel Jasper es warm haben muss, steht der Ofen dort und macht das Zimmer gleichzeitig zum Aufenthaltsraum.
    Jetzt heule ich erst recht. Alle sind nebenan, nur ich liege allein hier herum, obwohl ich doch eigentlich wirklich Recht hatte!
    Nach einer Weile klopft es an die Tür. Irgendwie ahne ich schon, dass es Max ist. Mutter würde schließlich nicht klopfen.
    »Ich hab mit Fräulein Pattke gesprochen«, höre ich seine Stimme neben mir. »Wir dürfen im Park spazieren gehen. Wir dürfen uns auch mit Schnee bewerfen. Wir müssen nur vorher um Erlaubnis fragen.«
    »Na also!«, schlucke ich, was wahrscheinlich wieder nicht der richtige Ton ist.
    » Fritzi, Fritzi. « Ich fühle eine warme Hand auf meiner Schulter. »Jetzt haben ausgerechnet wir beide Krach!«
    Womit er es endgültig geschafft hat. Riesige Schluchzer brechen aus mir hervor.
    »Lass mich doch mal ausreden«, sagt er irritiert, was ich wiederum so komisch finde, dass ich gleichzeitig nun auch noch lachen muss. Oh Gott, ist das alles anstrengend.
    Und Tante Adele tot und Onkel Teddy wer-weiß-wo.
    »Ich will nur sagen, bei uns beiden ist das doch gar nicht weiter schlimm«, redet Max mir zu. »Wir sind uns doch gleich wieder gut oder etwa nicht? Und deshalb stehst du jetzt auf und wäschst dir das Gesicht und kommst hinüber ins Warme.«
    Er klopft mir aufmunternd auf den Rücken und geht. Ich beuge mich über das Waschbecken und lasse kaltes Wasser über mein verheultes Gesicht laufen, neben mir steht Ina und lächelt mir Zähne putzend zu, die Angelegenheit ist vergessen.
    Ich werde es mal schwer haben mit dem Heiraten. Der netteste Mann ist schon weg.
     
    Wenn wir geglaubt hatten, in den ersten richtigen Betten seit Langem gut schlafen zu können, so werden wir in dieser Nacht eines Besseren belehrt. Kreischen und Lachen dringen durchs Haus, grölende Stimmen, die in höhnischem Tonfall Marschlieder absingen. Jemand scheint Goebbels zu imitieren, beklatscht und bejohlt von seinen Kumpanen.
    »Da war mir das Schnarchkonzert im Zug ja noch lieber.«
    Fey sitzt aufrecht im Bett. Wir sind wieder einmal in Kleidern und Mänteln schlafen gegangen; im Zimmer ist es nur knapp über null Grad.
    »Ich persönlich bin dort immer nur von deinen Protestpfiffen aufgewacht«, meint Ina und ich höre es hier und da zustimmend kichern. Fey steht auf, macht Licht und gibt eine Runde Zigaretten aus. Zigaretten sind auf unserer mehrmonatigen Reise zwar manchmal knapp, aber irgendwo können die Raucher fast immer kaufen oder tauschen.
    Draußen toben einige durch Treppenhaus und Flure, offenbar Pärchen auf der Suche nach einem Zimmer. Hoffentlich kommen sie nicht zu uns! Was würde sie daran hindern, uns einfach hinauszuwerfen?
    »Sie sind so wütend«, sagt Nanni beklommen. »Wütend und unberechenbar. Der Russe steht vor der Tür und jetzt haben sie nur noch das bisschen Macht über Leute wie uns.«
    »Sie haben Order, uns zu schützen.«, wendet Fräulein Gisevius erschrocken ein.
    »Und noch gehorchen sie«, meint Mutter. »Aber wer weiß, ob einige nicht schon anfangen, selbst zu denken.«
    »Wie unser Schutzherr Himmler! Die Geschichte ist merkwürdig, findet ihr nicht?« Fey schlüpft fröstelnd zurück ins Bett. »Diese Geheimnistuerei und dass alle denken sollen, wir seien SS-Angehörige ...«
    »Hitler muss glauben, wir seien längst tot«, vermutet Ina. »Und hinter seinem Rücken bringt Himmler sein persönliches kleines Faustpfand in Stellung.«
    »Ich bezweifle, dass wir als Geiseln von Wert sind«, sagt Tante Ilselotte müde. »Die Briten und Amerikaner waren nicht im Geringsten daran interessiert, mit dem deutschen Widerstand zusammenzuarbeiten – oder ihn auch nur zur Kenntnis zu nehmen. Kontaktversuche hat es, weiß Gott, genug gegeben, aber anständige Deutsche passten wohl nicht in deren Konzept. Unsretwegen kann Himmler kein Entgegenkommen erwarten.«
    »Ja, aber weiß er das?«, gibt Fey zurück.
    Auf dem Gang schlagen Türen, wir hören jemanden laufen. »Licht aus! Macht das Licht aus! «, flüstert es atemlos und Nanni, die am nächsten bei der Tür liegt, huscht zum Schalter. Unruhig lauschen wir, aber die Schritte

Weitere Kostenlose Bücher