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Einundzwanzigster Juli

Titel: Einundzwanzigster Juli Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ravensburger
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entfernen sich wieder.
    Erst gegen Morgen legt sich Stille über das Haus, doch es ist eine Stille, die nichts Friedliches verheißt. Es ist eine atemlose, ängstliche Stille, ein wie gelähmtes Warten auf Sturm. Wir dürfen denHeeresbericht hören und stellen mit Blick auf die Umgebungskarte, die an der Schrankwand unseres Zimmers hängt, erleichtert fest, dass die Stelle, an der »der Russe steht«, darauf noch nicht zu finden ist. Aber von Weiterfahrt ist nicht die Rede.
    Die Vorstellung, dass niemand erfahren soll, wer wir sind, ist ebenfalls alles andere als beruhigend. Bedeutet das nicht auch, dass niemand draußen weiß, wo wir sind? Lexi muss unsere Spur komplett verloren haben. Sie muss völlig verzweifelt sein!
    Der Gedanke zermürbt mich. Ich wünschte, ich könnte ihr eine Nachricht zukommen lassen, aber solange wir in der Heilanstalt festsitzen, ist daran allenfalls zu denken.
    »Was schreibst und klebst du da eigentlich dauernd?«, fragt Mutter neugierig.
    Ich sitze im geheizten Schlafraum der Männer auf einem der unteren Etagenbetten. Wenn der ständige Damenbesuch nicht wäre, meint Julius, könnte man glauben, man sei in einem Truppenzelt. Einige liegen auf den Betten und lesen, andere sitzen und spielen Karten, flicken Socken oder schneiden einander die Haare. Kleidungsstücke hängen zum Trocknen an Bettrahmen, über Stuhllehnen und offenen Schranktüren.
    »Wenn wir weiterfahren, werfe ich Briefe aus dem Fenster«, erkläre ich. »Ich will sie hier fertig schreiben, im Zug ist es zu dunkel und zu wacklig.«
    Mutter setzt sich neben mich und ich zeige ihr den kleinen Stapel gefalteter und zusammengeklebter Blätter. Alle tragen Lexis Anschrift und die Querzeile: Bitte dringend weiterleiten bei späterer Belohnung!
    Im Nu steht ein halbes Dutzend um mich herum. In diesem engen, mit Verwandten vollgestopften Zimmer hat man keinerlei Privatsphäre!
    Mutter schüttelt lächeln den Kopf. »Eine wunderbare Idee«, meint sie. »Ich hoffe nur, der Finder fordert die Belohnung nicht gleich von Lexi ein!«
    Max fischt über Mutter hinweg nach dem obersten Zettel, klappt ihn aber schnell wieder zu, als er bemerkt, dass er noch nicht zugeklebt ist. »Das hoffe ich auch«, entgegnet er. »Wenn sie einen dieser Briefe bekommt, könnte sie so erleichtert sein, dass sie dem Überbringer alles schenkt, was wir besitzen.«
     
    Inmitten des Durcheinanders im Männerzimmer liegt der herzkranke Onkel Jasper auf seinem Bett und ringt nach Luft. Nie hört man ihn klagen, aber seine Hände, Beine und Füße schwellen nicht mehr ab und sehen aus, als müssten sie höllisch wehtun. Mittlerweile kann er sich kaum noch bewegen.
    »So geht das nicht weiter«, setzt Dr. Goerdeler der Pattke auseinander. »Graf Lautlitz muss dringend in ein Krankenhaus, ich kann hier nichts mehr für ihn tun.«
    Ich höre sie unten vor der Küche reden, Nanni steht still dabei. Unbeirrt pflegt sie ihren Vater und hat die Erlaubnis erwirkt, auch hier seine Diät kochen zu dürfen. Zwischendurch macht sie Dauerlauf auf dem Gang, um sich warm zu halten.
    Doch es ist nicht zu übersehen, dass sie von Tag zu Tag verzweifelter wird. Wenn Dr. Goerdeler nicht wäre, hätten wir Onkel Jasper längst verloren, das ist allen klar.
    »Ich werde sehen, was sich tun lässt«, sagt Fräulein Pattke widerwillig. »Aber ins Reichsinnere wird er mitmüssen, hier gibt es keine Möglichkeit mehr.«
    »Werden wir also weitertransportiert?«
    »Na, was denken Sie denn?«, gibt sie patzig zurück.
    Auf die Behauptungen unserer Bewacher geben wir nicht mehr viel; die meiste Zeit scheinen sie selbst auf Anweisungen zu warten und keinerlei Vorstellung zu haben, was aus ihnen und uns werden soll. Aber diesmal scheint die Pattke Recht zu behalten: Am Mittwoch, unserem neunten Tag in Lauenburg, werden Julius, Markus und Eberhard aufgefordert, mit Hauptscharführer Kupfer zum Bahnhof zu fahren und unseren Waggon herzurichten.
    »Der Waggon steht noch genauso da, wie wir ihn verlassen haben.«, berichtet Julius nach seiner Rückkehr. »Dabei ist die Strecke voller Flüchtlinge und Soldaten. Ein Wunder, dass ihn niemand gekapert hat! «
    »Hat es mit dem Bett für Papi geklappt?«, sorgt sich Tante Sofie.
    »Ja, es steht in der Ecke, in der er während der Fahrt am meisten Frischluft bekommen dürfte. Aber für alle anderen wird es nun noch enger werden.«
    »Hauptsache«, sagt Mutter, »wir kommen endlich wieder auf den Weg! «
    In Vorfreude werden die Koffer gepackt, und

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