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Einundzwanzigster Juli

Titel: Einundzwanzigster Juli Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ravensburger
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so lange durchgehalten hat, obwohl er im Herbst schon schwer krank in der Haft ankam.
    Ich müsste mich schämen, dass ich die Kühe bedaure. Als ob Julius neben mir keine anderen Sorgen hätte! Aber ihr Waggon steht nicht weit von unserem entfernt und ihr »Muh« klingt für mich immer mehr wie »Tu!«.
    Vom Waggon der Ungarn springt Hauptscharführer Kupfer ab, geht zur Pattke hinüber, die vor unserer Tür raucht, und wechselt einige Worte mit ihr. Wir sehen, wie sie die Schultern hebt und den Kopf schüttelt und beide betreten zu Julius schauen.
    Furcht durchzuckt mich. Ist Onkel Jasper gestorben? Nein, denke ich, dann würde doch jemand von uns hinauskommen, das würden sie doch nicht der Pattke überlassen ...
    »Fragen wir einfach«, meint Julius und einen Moment glaube ich, er spräche von seinem Vater, aber da geht er bereits auf unsere Bewacher zu und sagt: »Entschuldigung ... die Kühe, Herr Hauptscharführer. Kann man da nichts tun?«
    »Was willst du denn da tun?«, erwidert der Kupfer nicht unfreundlich.
    »Melken«, entgegnet mein Vetter kühn.
    »Du?« Der Mann lacht, und ich höre mich sagen: » Wir! So schwer ist es nicht. Ich kann es, und die anderen lernen es ganz schnell.«
    Hinter der Pattke springt Eberhard vom Wagen. »Ich hab es auch schon gemacht, Herr Hauptscharführer! «
    Der Kupfer überlegt. »Und wenn der Zug losfährt, hockt ihr da drin bei den Kühen«, wendet er ein. »Was, wenn sie in Panik geraten? Das kann ich nicht verantworten.«
    Nun kommen auch Markus und Anna vom Wagen geklettert. »Wir gehen hinaus aufs Trittbrett, wenn der Zug anfährt«, schlägt Markus vor.
    Erwartungsvoll stehen wir vor ihm. Der Hauptscharführer legt die Stirn in Falten. Man sieht ihm an, dass er uns für ziemlich seltsame Leute halten muss, aber er brummt: »Ich werde sehen, ob ich ein paar Eimer organisieren kann«, und stapft davon in Richtung des Wagens, in dem der Großteil unserer Wachmannschaft fährt.
    Wir grinsen uns an. Selbst die Pattke grinst. Und in unserem Waggon hören wir es scheppern, als ob schon alles eingesammelt würde, was sich als Trinkgefäß eignet.
    Die Kühe stellen sich fast von selber auf, als die Tür zu ihrem Waggon geöffnet wird. Keine tritt oder schlägt mit dem Schwanz, die Euter sind so prall, dass schon beim Draufklopfen Milch aus den Zitzen läuft. Es sind nette ostpreußische Kühe und ich fühle mich zu Hause. Am liebsten würde ich zu einer Gabel greifen und ausmisten! Leider reisen sie ohne Gabel, und auch am Stroh hat man gespart.
    An der Seite der dankbaren Kühe sehe ich, während dicke Strahlen von Milch in Eimer und Schüsseln prasseln, die gebeugten Rücken meiner Vettern und Annas bunte Strickmütze und fühle einen verrückten kleinen Anflug von Glück. So müsste es weitergehen! Die Kuh, die Milch, der Eimer ... so selbstverständlich, dass Zug, Transport und Todesgefahr, während wir bei den Tieren sind, wie ein bizarrer Traum anmuten, aus dem man bereits im Begriff ist zu erwachen. Unbedeutend! Nicht von Dauer! Auf keinen Fall unser Leben ...
    Mehrere Eimer und kleinere Gefäße voll Milch nehmen wir am Ende mit zurück in den Waggon, den Rest verspricht Hauptscharführer Kupfer zu verteilen. Wir hoffen, er bringt ihn zu Flüchtlingen mit kleinen Kindern und nicht etwa der Wachmannschaft, aber die Hand würden wir dafür nicht ins Feuer legen.
    Sechster Tag. Der falsche Donner dröhnt wieder aus der Ferne; wir stehen bei Eberswalde, vierzig Kilometer vor Berlin, und von meiner Heimatstadt ist offenbar immer noch etwas übrig, worauf man Bomben werfen kann. Eine Rundreise haben wir also gemacht: von Berlin nach Schlesien und über Ostpreußen und Pommern wieder zurück, und es ist, als sei die Zeit stehen geblieben, während wir fort waren. Berlin lag unter Beschuss, als wir gingen, und es liegt unter Beschuss, als wir nun, vier Monate später, wieder vorbeifahren. Unser Haus wird längst nicht mehr stehen. Seltsam, ständig unterwegs zu sein mit dieser großen Familie ... aber nicht mehr zu wissen, wo »zu Hause« ist.
    In Lautlitz, sagt Mutter. Wenn der Krieg vorbei ist, treffen wir uns alle in Lautlitz.
    Alle?, denke ich traurig. Eine Petroleumlampe beleuchtet die gespenstische Szenerie in unserem Waggon. Zwei SS-Männer heben den bewusstlosen Onkel Jasper auf eine Bahre. Am Nachmittag war ein Arzt bei uns, der meinen Onkel untersucht und für nicht transportfähig erklärt hat. Hauptscharführer Kupfer hat es mit derAngst zu tun bekommen. Wo

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