Einzelkaempfer
reißt sie mit einem Ruck weit auf, die Rechte schwebt über der Ausbuchtung im Bund. Herein kommt Adolf. Er wankt und scheint zu grinsen. Du spinnst, nein, er sieht relaxt aus, entgegne ich Kalles Einwand. Der deutsche Schäferhund torkelt in Schlangenlinien auf mich zu. Reste weißen Pulvers im Fell um seine Nase. Ha, Adolf ist stoned, so breit wie die erste Autobahn seines Namensvetters lang war! Ich verkneife mir ein Schmunzeln und frage Ad besorgt, was los sei. Der Hund habe wohl wieder von dem Treber genascht. Sein Nachbar keltere Apfelwein, wiegelt Ad ab. Wütend greift er sich das Tier und schleift es hinaus. Adolf gähnt. Sweet Dreams, stimmt Anny Lennox in meinem Kopf an. Ach ja, die Bar, dort hatte ich den Song zuletzt gehört. Wen der Barmann da wohl angerufen hatte? Hat vielleicht nichts mit dir zu tun, du kriegst noch einen Verfolgungswahn. Ab ins Bad, wasch dich und – hey, mahne ich den Advokat – sprich nicht wie meine Mutter. Im Bad schließe ich schnell das Fenster und verwische Hannas Spuren, die sie in der Eile hinterlassen hat. Ein Handabdruck auf dem Wannenrand und drei Haare in der Fensterdichtung. Ich spül sie ins Klo und weiß nicht was lauter rauscht, der Wasserkasten oder das Blut in meinen Adern.
»Alles okay«, fragt Ad durch die geschlossene Tür.
»Alles bestens«, gebe ich Auskunft. Ich höre ihn davongehen, die Schlafzimmertür schließen und sinke auf dem Klodeckel zusammen, wobei mein Kopf gegen das Waschbecken knallt. Shit! Kaltes Wasser, ich kühle mein Gesicht, meine Handgelenke und stelle befriedigt fest, dass das Zucken im Auge mir treu geblieben ist. Was hat sie gesucht? Flüchtig tupfe ich mich mit zweilagigem Papier trocken und schleiche aus dem Bad. Ich brauche eine Ausrede für den Fall, dass Ad mich erwischt, wie ich in seinen Unterlagen wühle. Meine Zögerlichkeit macht mir zu schaffen, wie damals, als es darum ging schnell durch die Absperrung zu huschen, obwohl das AC/DC Konzert schon ausverkauft war. Vor der Türe dichtes Gedränge, mein Kumpel, schon drin, zischte mir zu: los jetzt. Ich zögerte zu lange bis der günstige Moment verstrich, ich einen halbherzigen Versuch wagte und natürlich von zwei Muskelmännern untergehakt und mit Schwung auf das nasse Kopfsteinpflaster befördert wurde. Das prägt.
Ich könnte behaupten, einen Notizzettel gesucht zu haben, worauf ich ihm eine Nachricht hinterlassen wollte: Vielen Dank für die Gastfreundschaft. Neben dem Telefon auf dem Sekretär liegt ein linierter Block, ein Stift klemmt hinter dem Ohr eines Miniatur-Goethe, der auf dem Regalboden links von mir steht. Zur Not könnte ich ebenso tun, als suche ich ein Buch zum Einschlafen. Nur blöd, dass hier überwiegend Literatur in niederländischer Sprache stand. Weiter oben erspähte ich eine ganze Reihe Bildbände berühmter Maler. Die würden als Ausrede evtl. standhalten. Vorsichtig öffne ich ein Schubkästchen des Sekretärs, Bankunterlagen, Eurocheques, Formulare, zerknickte Kreditkarten. Schieb zu, nächstes auf, Schlüssel, Schraubenschlüssel, Inbusschlüssel, Dietrich, soso. Schieb zu, nächstes auf, Photos, glückliche Zeiten mit Frau und Hobby, Ad mit langen Haaren und E-Gitarre, Ad mit Kippe und Kalaschnikow, Ad mit Frau von eben, ihr Gesicht eingerissen, vorbei. Schieb zu, nächstes auf, eine Metallkassette, verschlossen. Schieb zu, nächstes verschlossen – hm. Nein, Heiner, das wirst du nicht tun, sagt Marie, als ich kurz davor war einen ihrer verkitschten Porzellan-Clowns auf dem Glastisch zu zertrümmern. Ich tat es nicht, ich tu es nicht, werfe einen Blick in das Fach unter der Klappe. Zeitungsartikel, eine graue Aktenmappe, schlage sie auf, Dokumente, Bilder von Bildern, Zeitungsartikel über den Geburtstag van Goghs, Pässe, viele Pässe und alle zeigen Ad, wenn man genau hinsieht. Mal hat er eine weiße Perücke auf und sieht aus wie Rudi Carrell, mit dem braun gelockten Fiffi auf dem Schädel und der großen Brille sieht er Atze Schröder ähnlich, kahlrasiert wie Pim Fortuyn – nicht mehr gefährlich. Ein wahrer Verwandlungskünstler, ich staune und sehe stets aus wie Heiner.
Mit den Pässen in der Hand zieht keine meiner Ausreden. Ertappt! Im Nacken die Gänsehaut und den aufgesetzten Lauf einer kalten Pistole ... als ein totgeschossner Hase auf der Sandbank Schlittschuh lief.
21
Help, I need somebodys help ... rufen die erfolgreichen Beatles nun erfolglos. Keine Hilfe in Sicht.
»Ganz langsam umdrehen«, kommt die
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