Einzelkaempfer
ein bisschen gereizt und unhöflich von Ad. Hanna verschwindet zunächst kurz im Bad, um sich dann herzlich von uns zu verabschieden. Ich werde jetzt ebenso das Klo aufsuchen, der Kakao schläft nicht mit mir. Das Fenster ist angelehnt. Wo ist der deutsche Schäferhund?
Während ich so da stehe, kombiniert Kalle, wobei er sich mit dem ausgestreckten Zeigefinger gemächlich ans Kinn tippt: Hier stimmt was nicht. Schlaf jetzt bloß nicht ein, befiehlt er. Ich muss herzhaft gähnen, so dass der halbblinde Spiegel beschlägt. Munter bleiben! Kalle hat gut reden. Ich tauche mit dem Kopf ins Waschbecken unter den erfrischenden Wasserstrahl, benetze mein Gesicht und stelle fest, dass kein Handtuch da ist. Ich erklimme die Stufen nach oben, Ad hat sich bereits verabschiedet und ich versuche wach zu bleiben. Nicht hinlegen, keinen Mucks machen. Ich setze mich so unbequem wie möglich im Lotussitz auf die grüne Schlingenauslegware, dass an einen kuschelig gemütlichen Schlaf nicht zu denken ist. Langsam sackt mein Oberkörper gegen das Bettgestell. Reiß dich zusammen. Hey, hör doch mal hin. Was ist denn Kalle? Da ist nichts, still ruht der See, murmle ich mir in den Bart. Ein leises Quietschen, das wird das Klofenster sein, vom Winde bewegt. Jetzt höre ich tatsächlich ein Rascheln und Tappen. Vorsichtig versuche ich meine Beine zu entknoten ohne dass es knackt. Mist, tut das weh – immerhin verursache ich kein Geräusch. Die Person im Wohnzimmer auch im Moment nicht, aber sie verströmt den Hauch eines mir bekannten Dufts. Jener, der mich kurze Zeit zuvor betört hat. Ich robbe zum Treppenabsatz und erkenne weiße Segeltuchturnschuhe, die eilig und lautlos umherflitzen. Noch ein Stück, rutsch noch ein Stück, wir sehen ja nichts, mault der Advokat. Über den Turnschuhen kommen jetzt Beine in einem Overall in unser Sichtfeld. Was macht die da? Rutsch noch ein Stück weiter. Mann, nerv nicht, ich versuche es ja. Die obere Stufe knarrt, wenn man sie mittig betritt, das hatte ich mir gemerkt und ich muss so hinrutschen, dass ich schnell wieder im Schutz des Zimmers verschwinden kann. Hanna huscht von Bild zu Bild, sie lupft jedes einen Spalt breit von der Wand, als suche sie etwas dahinter. Systematisch arbeitet sie sich vor. Jetzt verschwindet sie aus dem einsehbaren Gebiet. Sie müsste ganz in der Nähe des Biedermeier-Sekretärs sein. Ich höre sie wühlen. Rutsch noch ein Stück vor, drängt Kalle. Mein Oberkörper ist nun schon halb über der obersten Stufe, meine Hände stützen sich auf Stufe drei. Hey alter Mann, noch ein Stück, feuert mich Kalle an. Ich hangle mich auf Stufe vier, rutsche an der runden Kante ab und bäuchlings die ganze verdammte steile Treppe hinab.
Dass diese akrobatische Einlage nicht geräuschlos vonstatten ging, können Sie sich denken. Hanna wirft mir einen vernichtenden Blick zu und zerschneidet die Luft mit einer unmissverständlichen Handbewegung, die mir eine, meine, durchtrennte Kehle verdeutlichen soll. Wie eine geschmeidige Katze gleitet sie schnell und leise in das Bad und verlässt das Haus auf dem gleichen Wege, wie sie es betreten hat. Adolf schweigt. Ad stürzt aus dem Schlafzimmer, mit einer Knarre im Anschlag, die er aber blitzschnell im Hosenbund verschwinden lässt, als er sieht, dass nur ich es bin. Schätze, er hofft, dass ich den Schießprügel nicht gesehen habe. Schlafen Holländer immer in ihren Hosen, fragt Kalle. Was passiert ist, fragt Ad, während ich mich aufrapple. Schlafende Holländer soll man nicht wecken, kalauert Kalle, wobei er die Stimme einige Oktaven tiefer stellt. Meine Ellbogen sind aufgeschürft, blöde Schlingenware, mein Glieder schmerzen und nicht zuletzt meine Knie. Die sind eh weich vor Schreck und du Kalle, sprich nicht von Holländern, ist er ein Niederländer, könnte er empfindlich reagieren und das wollen wir doch alle nicht, so viel dazu. Jetzt lass dir eine hübsche Ausrede einfallen, Heiner, stachle ich mich an.
»Die Toilette, ich wollte die Toilette aufsuchen und bin offensichtlich solche steilen Treppen mit extrem schmalen Stufen nicht gewohnt. Müdigkeit und Unachtsamkeit, nur so ist der Sturz zu erklären«, entschuldige ich mich wort- und gestenreich für die Unannehmlichkeiten, die ich meinem Gastgeber bereite. Krieg dich wieder ein, du musst ihm nicht die Füße mit deinen Haaren trocknen, geifert der Advokat, der durch den Schreck die Kontenance ein wenig verloren zu haben scheint.
Es kratzt was an der Tür. Ad
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