Einzelkaempfer
jenes, das der sonnenbebrillte Tunichtgut mir auf die Stirn gepappt hatte, eben jenes, das ich später an Ads Hinterteil abgetreten hatte.
Ad klebt den Zettel vor mir auf den Tisch: »Da wirst du morgen anrufen und jetzt geh schlafen.« Wortlos gehe ich an ihm vorüber, krabble die steilste Treppe der Welt hinauf, er dicht hinter mir. Aus seinem Hosenbund zieht er Handschellen hervor, mit denen er meine rechte Hand am eisernen Bettgestell fesselt. Na super, nölt der Advokat, als müsse er jetzt in der seltsamen Haltung schlafen und nicht ich.
23
Staubwolken, großes Geschrei, ein riesiges Durcheinander am Little Big Horn. Pfeile, geradewegs in die Luft geschossen, regnen spitz zwischen den schwarzen Bergen herunter, mitten ins Tal hinein, aus dem tosendes Trappeln, panisches Wiehern tausender Pferde dringt. Berittene Blauröcke der siebten Kavallerie schießen krachend auf rote Gestalten, die zwischen den wilden Hufen der von Sporen verletzten Tiere umherhuschen, wie Bodennebel. Oranges Licht. Blutige Arme recken sich um die schaumbespritzten Hälse der aus geblähten Nüstern schnaubenden Pferde. Schnell wie ein Blitz ritzt der Sioux dem jungen Soldat sein Messer durch die Kehle, bevor der Mom sagen kann und aus dem Sattel fällt, in den sich der Krieger sogleich schwingt, ungerührt der blutigen Fontäne. Gestampfe, Geheule, rote Erde, der Himmel weint Amselfelder. Verzerrte Fratzen ertrinken, der Abend senkt sich nieder, wie eine alte Kartoffelbäuerin nach getaner Arbeit, wobei sich ihr dicker, dunkler, aus grobem Leinen genähter, Rock in schweren Falten um einen dreibeinigen Hocker legt, wie eine Glocke, unter der jedes Leben zu ersticken droht. Gegurgle, Geschlabbre, tiefschwarze Nacht, die mich in ihren Sog zieht, immer tiefer hinab. Ich versuche mich festzuhalten im Nichts, während ein stinkender, räudiger Riesenköter nach meinem Bein schnappt. Einhändig will ich ihn verscheuchen, strample verzweifelt. Vom Schlachtfeld, oberhalb der Staubgrenze, winkt mir meine eigene abgehackte Hand schemenhaft Good- bye. Zuckend erwache ich, als erstes den stinkenden, hechelnden Atem Adolfs im Gesicht.
»Goedemorgen«, ruft ein frohgelaunter Ad aus den Untiefen des holländischen Fertighauses. Ich gähne Adolf ins Gesicht, er scheint die Nase zu kräuseln, schnüffelt kurz und heftig, bevor er sich verzieht. Ätsch, feixt Kalle dem Hund hinterher. Der Advokat rät mir, Ad nach einer Zahnbürste zu fragen. Danke, Schnösel! Zur Mundhygiene komme ich erst gar nicht, denn Ad ist nicht gewillt mich zu entfesseln. Er tritt mir mit einem breiten, schmallippigen Lächeln auf dem glattrasierten Gesicht meine hölzernen Beine vom Bett und hält mir einen sternchenbedruckten Kaffeepott hin: Grüße vom Dortmunder Weihnachtsmarkt. Mühsam rapple ich mich hoch und trinke einen belebenden Schluck.
»Du sagst jetzt, dass es anders läuft, nach deinen Spielregeln. Sag, dass du dich nicht verscheißern lässt und wenn er sein Auto wiederhaben will, soll er das, was er unterschlagen hat, bis morgen Mittag an diese Adresse geben«, Ad hält mir einen Zettel hin. Ich hab schon ein ›Ja, aber‹ auf der Zunge, als Ad weiter ausführt: »Du sagst, du wüsstest alles und mit den Leuten wäre nicht zu spaßen, die ließen sich auch nicht verladen. Wenn er dich bestechen will, sagst du, no Chance, die Leute hätten dir ein besseres Angebot gemacht«, dabei spannt er den Hahn der Pistole an meiner Schläfe. Du sitzt ganz schön tief in der ... Kalle, ich weiß. Ich schlucke den Rest des starken Kaffees hinunter, es könnte mein letzter sein. Nun dramatisier nicht, meint der Advokat erhaben, als handele es sich hier lediglich um eine schlechte Ausgangsposition in Ehen vor Gericht. Ad wählt die Nummer auf dem Zettel und reicht mir das Telefon, wobei er vorab die Mithör-Taste gedrückt hat.
Es läutet, eins, zwei, drei ... es ist das längste Läuten, was ich je erlebt habe, nach dem sechsten Mal meldet sich ein Mann. Er grunzt mehr, als dass er einen Gruß vernehmen lässt. Was ich zur Eröffnung sagen soll, hat Ad mir nicht gesteckt, er knufft mich seitlich in die Rippen. Ich räuspre mich, in meinem Hals bildet sich ein tumorartiges Geschwür, durch das wildes Herzklopfen einen Todesrhythmus trommelt, wie wildes Stampfen um einen Marterpfahl, meine Stimme klingt mir fremd. Ich frage, mit wem ich spreche, erhalte aber keine Antwort. Der Mann weiß anscheinend, dass ich es bin, denn er sagt drohend: »Du mieser, kleiner
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