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Einzelkaempfer

Einzelkaempfer

Titel: Einzelkaempfer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sinje Beck
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gelaufen sei. Leider hatte ich Handy und Geld liegen lassen – ich mime den Depp, das liegt mir – und daher beschlossen, seiner Einladung zu folgen. Seine Nummer hätte ich meinem Boss ebenfalls gegeben, der müsse sich ja morgen melden – Frechheit siegt, sagt Kalle. Ich entschuldige mich, wegen der Unannehmlichkeiten. Kein Problem, versichert Ad, wobei er sich für die magere Gastlichkeit entschuldigt und mir eine weitere Tasse heiße Schokolade eingießt. Ich sitze immer noch in dem Sofaloch, traue kaum mich zu rühren, denn sobald ich auch nur mit dem kleinen Zeh wackle knurrt Adolf.
     
    Es herrscht abwartendes Schweigen. Ablenken, wenn du fragst, musst du nichts erzählen und verplapperst dich nicht, rät Kalle. Also frage ich anhand der Einrichtung, ob Ad Kunstsammler ist. Die Wände hängen proppevoll mit hübschen und gewöhnungsbedürftigen Werken. Gemälde, Kunstdrucke, eine Kopie der Sonnenblumen van Goghs, ein düstres Abbild der Kartoffelesser des gleichen Künstlers. Daneben in krassen Kontrast Drucke von Kandinsky, Miró, dessen spielerisches Komponieren mir nicht so zusagt und einige Metamorphosen des Surrealisten Dalí. Das sind die, die ich erkennen kann, alles andere stellt er mir vor. Es sind Originalgemälde seiner Kunststudenten darunter, sagt er. Landschaften, Farbenspiele, Nackedeis. Aha, ein Kunstprofessor. Was er sich denn sonst noch so in Siegen angesehen habe, möchte ich wissen. Viel Zeit hätte er damals nicht gehabt, aber im Lÿz sei er gewesen, Kabarettabend, sehr schön. Was er gesehen hatte, wusste er nicht mehr, lustig sei es auf jeden Fall gewesen. Ja und den Kunstpfad bei Altenkirchen hätte er besucht, sehr eindrucksvoll, Kunst zwischen Kuhweiden, wirklich gelungen und mal was anderes. Ja, fand ich auch. Räuspern. Schweigen. Mir fällt sein Schwager ein. Wo ein Schwager ist, ist auch eine Frau. Die sei vor vier Jahren gestorben, so gut wie. Tut mir leid. Das Gespräch reißt ab, wir schnaufen zeitgleich und Ad weist mir mit einer Handbewegung nach oben meinen Schlafplatz und den Weg zur Dusche. Ich hab’s auch nötig. Den Hund hat er vorher zur Tür rausgejagt. Die steilste Treppe der Welt windet sich in die obere Etage, wo ich ein frisch gemachtes Bett vorfinde, auf dem Handtücher liegen. Die kleine Nasszelle in einer Nische neben dem Gästezimmer riecht ein wenig schimmlig, aber das Sportler-Duschzeug vertreibt schnell den Geruch und es fühlt sich gut auf meiner geschwitzten, klebrigen Haut an. Gerne würde ich gleich frische Wäsche anziehen, doch, man kann nicht alles haben. Wenn ich meinen Rolli wasche und gründlich auswringe, könnte er morgen wieder trocken sein, überlege ich. Ad ruft, dass ich das T-Shirt behalten könne, welches er aufs Bett gelegt hat. Der Mann denkt mit. Es ist gelb, nicht meine Farbe, darauf Linus, der nuckelnd seine Schmusedecke hinter sich herzieht. Jetzt ist nicht der Zeitpunkt modische Grundsätze zu erläutern, höre ich Marie antworten, die oft auf meine Verblüffung ihres Antlitzes derart reagiert hat. Aber ich hatte mich doch wundern dürfen über die durchsichtigen Blusen, die hochgeschlitzten, knappen Röcke, Netzstrümpfe und die Overknee-Stiefel. Nie trug sie solche Outfits, wenn sie mit mir unterwegs war, immer nur wenn sie mit ihrer Freundin davonzog, sich dann nach einer durchgetanzten Nacht einen Schnösel einfing und auszog. Zu Wilhelm nach Wuppertal – herzlichen Glückwunsch, war das Letzte, was sie aus meinem Munde hörte. Ad wünscht mir ›welterusten‹, ich ihm auch, begebe mich in die Zweimeterlage und dreh mich auf den Bauch, meine liebste Schlafstellung.
     
    X, schaltet sich Kalle als CB-Funker in mein Gedankenkarussell, X komm, gebe ich müde nuschelnd ins Kopfkissen Antwort. Was ich zu tun gedenke, fragt der jetzt wohl wieder kleine, noch müdere Kalle, ich weiß es nicht, sage ich ihm. Du weißt es nicht? Roger, ich weiß es nicht. Ich weiß es nicht! Und sitze aufrecht im weißen Eisenbett mit der dünnen Schaumstoffmatratze. Morgen wird der Wagen abgeschleppt, ich werde für das restliche Geld tanken, eventuell könnte ich versuchen in Siegen anzurufen, ich kann nicht mehr klar denken. Mist! Schlaf jetzt, sagte Marie nach der einen Nummer, die sich als unsere letzte erweisen sollte, als ich ihre Nähe suchte. Die beste Einschlaftechnik ist die vor dem Fernseher, Politikertalkrunden. Es sind immer die Gleichen, die immer das Gleiche erzählen. Hier ist kein TV, daher muss ich es so schaffen,

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