Einzelstücke - Möller, M: Einzelstücke
seine Abneigung so weit gehen, dass er eine Zusammenarbeit unlauter unterband? Oder bildete ich mir das alles nur ein? Ein Vorwand meiner Psyche, um eine mögliche Absage von Herrn Bender nicht auf mein miserables Interview zurückführen zu müssen?
Abwarten!
Abwarten und schlafen, sage ich mir selbst.
Und bin den Rest der Nacht hellwach.
9.
Glücklich werde, wer kann!
Z wei Tage später habe ich immer noch nichts von Herrn Bender oder dem MeMa gehört. Ich schlafe nachts zwar wieder, dafür träume ich jetzt davon, wie Moritz meine Interviewseiten in ein Entwicklerbecken für Fotos steckt, woraufhin sich die Tinte der einzelnen Buchstaben in hellblauen Wasserwölkchen auflöst.
Als es mir gelingt, den Gedanken daran abzuschütteln, finde ich mich am kerzenscheinerfüllten Esszimmertisch von Lena wieder. An den beiden Kopfenden sitzen Sebastian in weißem Hemd und kariertem Pullunder und Astrid, deren Wangen bereits von zu viel Rotwein glänzen. Mir gegenüber fuchtelt Thomas ungeschickt mit einem Flaschenöffner in den Händen umher, ebenfalls in weißem Hemd und darauf ein gesprenkelter Bratensoßenfleck. Lena sitzt daneben und beäugt das Tun ihres Mannes mit kritischem Blick. Als Thomas es endlich gelingt, den Korken der Flasche zu lösen, tupft er sich erst mit der steifen Baumwollserviette den Schweiß von der Stirn, um schließlich unsere Gläser mit einem entschuldigenden Lächeln zu füllen, und wir sind alle unendlich dankbar für den Rotwein in unseren Kelchen. Lena erhebt ihr Glas. Ich lasse meins zeitgleich sinken. Kein Alkohol mehr. Nie wieder. Ein Rausch ist eine schlimme Sache. Kein Rausch aber irgendwie auch. Mein Blick wandert auf die Plätze rechts und links neben mir. Ich habe Tim und Alex mitgebracht, der in letzter Zeit erstaunlich häufig in Köln ist. Hat sich irgendwie so ergeben, und die beidenfreuen sich, sich mal wiederzusehen. Ach, das Leben kann so einfach sein!
Je länger ich die beiden ansehe, desto mehr kommt mir der Gedanke, dass Alex Tims Vater sein könnte.
»Anna?«
»Ja?«
»Wir wollten wissen, ob dir das letzte Wochenende im November passt?«
»Wofür?«
»Die Hochzeit?«
»Dieses oder nächstes Jahr?«
Sebastian wirft mir für diese Frage einen bösen Blick zu.
»Also wir mussten elf Monate auf einen freien Termin in der Kirche warten«, sagt Thomas und hebt dabei mahnend seinen Zeigefinger.
»Da hattet ihr aber jede Menge Zeit, es euch noch einmal anders zu überlegen«, meint Tim und spießt ein mit Speck umringeltes Böhnchenbündel mit der Gabel auf.
»Scheinbar nicht lange genug«, sagt Alex, der von der Ehe so viel hält wie ein Kölner von Altbier, und lacht, woraufhin Thomas erneut seine Stirn mit der Serviette von ihrem Glanz befreit und Lena einen betretenen Blick zuwirft, die wiederum mich mit bösen Augen anblitzt, woraufhin ich wiederum Alex unter dem Tisch gegen das Anzugbein trete.
»Hey. Ich war zweimal verheiratet und habe zweimal zu wenig Zeit gehabt, darüber nachzudenken. Wäre ein Standesamttermin erst in drei bis sechs Jahren frei geworden, würde mir jetzt noch die Immobilie am Schamützelsee gehören.« Alex hat ein wunderbar warmes Lachen, das Astrid ansteckt.
»Du hattest ein Haus mit Seeblick?«
»Na ja. Eher eine Hütte. Meine Ex hat während unserer Ehe keinen Fuß in dieses ›würdelose Drecksloch, bei dem selbst die Ratten es vorziehen, vor der Tür zu schlafen‹, gesetzt. Nach der Trennung hatte sie es jedoch irgendwie in ihr Herz geschlossen. Sie hatte Sinn für Humor.«
»Und dieses Häuschen bis heute ganz sicher nicht betreten«, sage ich.
»Ich denke, damit hast du wohl recht. Sie ist zu elegant, so etwas zu tun. Sie war eigentlich auch zu elegant, um mich zu heiraten. Hätten wir länger gewartet, wahrscheinlich hätte sie sich gegen mich entschieden.«
»Also, ich denke, entweder man weiß sofort, ob es die Richtige ist, oder man weiß es irgendwie nie, oder?«, fragt Tim mehr das Stück Steak auf seinem Teller als uns.
»So etwas kann sich auch entwickeln«, erklärt Sebastian väterlich, lächelt verschwörerisch in Astrids Richtung und versucht, ihre Hand zwischen Rotweinglas und Tischtuch zu ergreifen.
»Können wir mal über irgendetwas anderes als Heiraten reden?«, sagt diese, während ihre Hand nach dem Sesambaguette statt nach Sebastian langt.
»Die Worte einer Braut?«, fragt Alex und wendet sich dann an mich. »Und was meinst du, Anna? Liebe auf den ersten Blick, oder sammelst du Spendengelder für
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