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Einzelstücke - Möller, M: Einzelstücke

Einzelstücke - Möller, M: Einzelstücke

Titel: Einzelstücke - Möller, M: Einzelstücke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michaela Möller
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auf Probe mit glänzenden Zähnen.
    »Nicht so viel Zähne. Schließ den Mund ein bisschen.«
    Moritz geht mit der Kamera vor seinem Gesicht vor mir in die Knie und hört nicht auf, den Auslöser zu bedienen, als ich mit den Augen rolle und mir durch die Haare fahre.
    »Ist das deine Persönlichkeit?«, fragt er.
    Meine Persönlichkeit? Tja, ich war auf der Suche nach ihr, weil Herr Bender für die zweite Ausgabe des MeMa Susan Winter benutzen möchte und mich als Vorstellung des neuen MeMa -Mitglieds als Erste in der Frauen-die-Männer-wollen-Reihe haben wollte.
    »Präsentieren Sie sich einfach so, wie Sie sind! Oder so, wie die Menschen Sie sehen sollen«, hatte Jürgen mir augenzwinkernd mit auf den Weg ins Fotostudio gegeben.
    Wie bin ich eigentlich? Und warum sollten ausgerechnet mich die Männer wollen?
    »Moritz?«, frage ich und stütze die Ellenbogen auf meine Knie, lege das Kinn auf die Handrücken und senke den Kopf in Richtung Kamera. »Warum sollten Männer mich wollen? Ich meine als Frau?«
    »Woher soll ich das wissen?«
    »Weil du ein Mann bist.«
    Moritz schweigt und tritt einen Schritt mit der Kamera zurück.
    »Was mögen Männer an mir?« Die Frage war weit weniger naiv gedacht, als man meinen könnte. Ich wollte den Fotografen provozieren und ihm auf eine patzige Antwort eine noch flapsigere geben. Doch statt zu antworten, lässt er die Kamera sinken und tritt einen Schritt zurück.
    »Ich denke, ich muss das Licht neu ausrichten.«
    Moritz ist Individualist, er arbeitet ohne Assistent, ohne fremdes Mitwirken und ohne sichtliche Veränderung durch die Neuausrichtung des Lichts. Stattdessen fummelt er nur hier und da rum und versteckt sich wieder hinter seinem Kameraobjektiv. Also konzentriere ich mich auf mich.
    Ich bin Anfang dreißig, bindungsunwillig, unabhängig, umfänglich versichert, Steuerklasse eins. Ich liebe es, wenn alte Holzdielen unter meinen Füßen nachgeben; ich liebe das Knistern von Badeschaum in meinen Haaren; ich liebe, mit den Fingern über die Kanten und Kratzer im Lack alter Möbel zu fahren, und ich liebe zwei Männer.
    Ich denke, ich brauche eine unkonventionelle Pose auf dem Sofa. Ich bin in gewisser Weise unangepasst. Oder war das Leben nur nicht an mich angepasst? Ich werde vom Aufklappen eines Koffers aus meinen Gedanken gerissen. Moritz schraubt das Objektiv von seiner Kamera, verstaut es sorgfältig im Koffer und greift nach einem neuen. In seiner Wortkargheit spiegelt sich sein Unbehangen darüber wider, dass er nun doch mit mir zusammenarbeiten muss. Nachdem er seine Kamera neu ausstaffiert hat, kniet er sich erneut vor mich hin und knipst, statt zu quatschen.
    »Na gut. Dann eben anders. Was meinst du, mögen Männer nicht an mir?«
    Wieder schweigt er.
    Ich beobachte seine schlanken, langen Finger, wie sie amObjektiv drehen. Sie wirken dabei fast zerbrechlich. Wenn Moritz jedoch das Objektiv umgreift, zeichnen sich die Sehnen kraftvoll unter der Haut ab. Als mein Blick an seinen Fingern hinaufwandert, verharrt er plötzlich am Nagel des Zeigefingers, unter dem ein wenig Dreck ruht. Ich kann meinen Blick nicht abwenden, ähnlich wie ich meine Gedanken nicht aufhalten kann, die sich fragen, was diese Finger wohl machten, wenn sie sich nicht an einer Kamera festhielten? Plötzlich räuspert sich Moritz hinter seiner Kamera.
    »Deine überhebliche Art, deine Selbsteingenommenheit, deine Unverfrorenheit, betrunken in der Redaktion vorbeizukommen, deine etwas unsymmetrische Nase, das permanente Fummeln am Pony und der Geruch deiner Haare nach Badezusatz. Das alles nervt. Unglaublich.«
    »Sehr schön. Vielen Dank. Ich werde es mir merken für den Text.«
    »Gut. Dann nehmen wir am besten das Foto, auf dem du etwas säuerlich guckst.«
    »Meinetwegen.«
    Was soll ich auch anderes tun? An Lächeln ist jetzt eh nicht mehr zu denken. Dafür bin ich zu wenig Model und viel zu viel Anna.
    »Du musst wirklich verdammt gut schreiben, dass du den Job bekommen hast.«
    »Na, du hast sicher alles getan, um zu verhindern, dass ich hier anfange.«
    Moritz schweigt. Sein Blick sinkt auf die Kamera, wobei ihm sein Pony vor die Augen rutscht.
    »Dann sind wir hier fertig!«, schließe ich das Shooting, schnappe mir meine knautschige Ledertasche und verlasse Moritz so würdevoll, wie mein Kopf sich hoch tragen lässt, obwohl ich in Wahrheitnatürlich zutiefst getroffen bin. Aber das lasse ich diesen Fotofreak selbstverständlich nicht wissen. Stattdessen zupfe ich noch einmal

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