Einzelstücke - Möller, M: Einzelstücke
hatten Thomas und Lena nur eine Chance, wenn sie niemals vom Fehltritt des anderen erfahren würden? Hatten sie überhaupt eine Chance? Lag Teilzeittreue gerade irgendwie im Trend? Und hatte diese Gurke von Moritz tatsächlich bis vor einer Stunde mein Interview unterschlagen?
Ich versuche, Lenas Gespräch von irgendwelchen Artischocken in Quiche zu folgen, werde jedoch immer wieder von Thomas’Blicken und den kreisenden Gedanken unterbrochen, was ich Herrn Bender nun antworten soll. Schließlich greife ich zum Rotweinglas, nehme einen kräftigen Schluck und beginne zu tippen:
Guten Abend, Herr Bender!
Gern nehme ich den morgigen Termin wahr.
Mich beschäftigt jedoch die Frage, warum Sie mein Interview erst heute erhalten haben. Ich hatte es in der von Ihnen gesetzten Frist in Ihrem Fach abgelegt.
Beste Grüße
A Lenartz
Die SMS flattert davon.
»Alles okay?«, fragt Alex leise zu mir herübergebeugt.
»Ja, danke. Mir geht es gut. Bin nur etwas müde. Wahrscheinlich vom vielen Rotwein.«
»Ich muss dir noch etwas sagen«, redet Alex leise weiter und sieht mich mit weichen Augen an, »ich werde zurück nach Köln ziehen.«
»Tatsächlich?«
»Das hat nichts mit dir zu tun.«
Alex ist ein Mann der offenen Worte. Darum ist es leicht, mit ihm glücklich zu sein.
»Ehrlich gesagt laufen die Geschäfte in Singapur nicht gerade gut. Ich bin kurz vor dem Bankrott, und daher bleibt mir nichts anderes übrig, als ein paar alte Kontakte in Köln aufzufrischen.«
»Schlechte Zeiten«, meint Sebastian, der unser Gespräch verfolgt hat, und strahlt, »Steuer geht immer!«
Das war Sebastians Lieblingsmotto. Er arbeitet als Steuerberater und daran, nicht einen Abend mit Freunden vergehen zu lassen, andem er uns nicht erzählt, dass Steuer immer gehe. Astrid verdreht die Augen und wendet sich an Alex.
»Ach, im Grunde geht es doch allen Branchen schlecht … außer den Steuerberatern.«
»Ja, aber vielleicht bin ich auch nur ein miserabler Unternehmensberater.«
Mein Handy brummt zwischen den Beinen.
Liebe Frau Lenartz,
hier muss Ihrerseits ein Fehler aufgetreten
sein. Ein Kollege fand das Interview heute
Morgen in seinem Fach. Ich heiße Bender nicht
Renter.
MfG
J Bender
Ich umgreife meine Gabel mit der Faust und spieße mit ihren Zinken ein Stück Schweizer Gouda auf, um es mir in den Mund zu schieben. Renter? Ich bin mir so sicher, wie man sich nur sein kann, dass ich das Interview in das Fach von Herrn Bender gelegt hatte, weil es, anders als die anderen, nicht grau sondern aus rotem Plastik war, mit der Aufschrift »Chefredakteur« in dicken orangefarbenen Lettern. Und weil ich gesehen hatte, dass eine Bewerbung von einer gewissen Claudia Maybach in jenem Fach lag, die jetzt wahrscheinlich meinen Job bekommen wird. Hm. Dieser Moritz soll mich kennen lernen.
10.
Modelmacken
M oritz drückt auf den Auslöser, worauf ein Rattern und Blitzen durch den kahlen Raum an die Betonwände klatscht. Erschrocken reiße ich die Augen auf. Hinter mir steht das Sofa, auf das ich mich drapieren soll, vor mir der Fotograf. Ich bin verwirrt. Davon, dass ich fotografiert werden soll. Und davon, dass Jürgen Bender sehr beeindruckt war von meinem Interview mit Susan Winter. Er hielt es sogar nur für geringfügig überarbeitungswürdig, eine Tatsache, die ich für höchst überarbeitungswürdig halte!
Das Missverständnis, warum das Interview in einem anderen Fach gelandet war, ließ sich jedoch nicht aufklären. Und da ich keine Beweise habe, bekundete ich mit einem Lächeln vor Herrn Bender, dass es sich wohl um ein unerklärliches Missverständnis gehandelt haben muss.
»Setz dich endlich!«, ruft Moritz ungeduldig durch den Raum.
Geringfügig überarbeitungswürdig! Ich kann es kaum glauben, zumal Tim das Interview ja im Suff geschrieben hat. In meinem Suff, um genauer zu sein. Ich sinke hinter mir auf die Couch und schlage probeweise die Beine übereinander. Ha. Geringfügig überarbeitungswürdig. Da haben deine korrupten Machenschaften gar nichts genutzt, du Gurke!
»Nicht so grimmig! Du siehst aus wie eine Zitrone.«
»Ich mag Zitronen!«
»Na gut. Ist dein Ding, wie du auf den Fotos aussiehst.«
Hmm.
Nach kurzer Überlegung entscheide ich mich doch für siegessicheres Lächeln. Herr Bender war so angetan von meiner Arbeit, dass er mir einen Job als Redakteurin für den Bereich »Frauen, die Männer wollen« angeboten hat.
Auf Probe.
Ach was.
Hauptsache, diese Claudia Maybach ist raus.
Ich lächle
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