Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Einzelstücke - Möller, M: Einzelstücke

Einzelstücke - Möller, M: Einzelstücke

Titel: Einzelstücke - Möller, M: Einzelstücke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michaela Möller
Vom Netzwerk:
emotionale Entwicklungshilfe?«
    Was soll ich sagen? Ich halte nicht sonderlich viel von der Liebe und glaube auch nicht daran. Genauso, wie ich das Kundtun all dieser Meinungen in unserer Tischrunde für nicht sonderlich taktvoll halte und nicht daran glaube, dass es hier irgendjemandem der sechs Augenpaare, die mich erwartungsvoll anstarren, weiterhilft. Die Liebe ist eine Aufbauschung von nichts. Wie der Versuch, Luft in einem Handrührgerät steifzuschlagen.
    In diesem Moment brummt mein Handy in der Tasche. Auf dem Display zwischen Geldbörse und Lippenbalsam erkenne ich eine mir irgendwie bekannte Nummer.
    »Ich bin gleich wieder da«, beeile ich mich zu sagen, während ich mit den Beinen den Stuhl übers Parkett schiebe, »hole nur schnell neues Baguette aus der Küche«, und entschwinde mit der Handtasche hinter der ans Esszimmer angrenzenden Tür.
    »Lenartz!«
    Aufgelegt.
    Wer ruft mich zu so einer späten Stunde noch an? Die Neugier lässt mir keine Ruhe. Ich will gerade auf den Rückruf drücken, als Thomas zur Tür hereinspaziert kommt.
    »Anna, ist alles in Ordnung?«
    »Ja, warum?«
    »Das hier ist die Toilette.«
    »Ja, ich … ich muss auf Toilette. Was machst du hier? Musst du auch auf Toilette?«
    »Du hast gesagt, du wolltest Baguette holen?«
    Ich versuche, Thomas mit einem Blick zu verstehen zu geben, dass ich an keiner weiteren Erklärung basteln werde, als das Handy in meiner Hand vibriert. Eine SMS von Jürgen Bender.
    »Ich … kann ich mich kurz setzen?« Thomas rutscht auf den Klodeckel und fummelt an seinem Bratensoßenfleck auf dem Hemd herum. »Ich wollte eh mal unter vier Augen mit dir reden.«
    »Ach ja?«, sage ich, weil mir nichts Besseres einfällt. Thomas und ich reden nie. Und erst recht nicht unter vier Augen zwischen Klobürste und Wäschekorb. Das kann nur eins bedeuten: Wir müssen über Lena reden. Was wiederum bedeutet, ich muss ganz schnell ganz woandershin.
    »Es geht um Lena. Und mich.«
    Zu spät.
    »Ich meine, weil Lena so komisch geguckt hat, gerade am Tisch, als es um die Ehe ging und wie lange man darüber nachdenken sollte, ob man auch den Richtigen heiratet.«
    Mir wird heiß. Um Thomas’ Blick aus dem Weg gehen zu können, zupfe ich vor dem Spiegel an meinem Pony. Müsste mal wieder geschnitten werden. Und was ist das? Ein graues Haar?
    »Anna, ich bin doch nicht blind.«
    Ich leider auch nicht. Das ist doch tatsächlich ein graues Haar. Sind da noch mehr? Vielleicht am Hinterkopf. Mit denen laufe ich wahrscheinlich schon seit Monaten herum.
    »Schluss mit der Geheimniskrämerei!«
    Er ahnt etwas!
    »Sie ahnt bestimmt etwas …«
    Ich drehe mich zu Thomas um. Er blickt vom Klodeckel zu mir auf, mit weiten glasigen Augen über den Pausbäckchen. Schlagartig wird mir klar, Thomas möchte gar keine Insiderinfos von mir bekommen, sondern ich bekomme welche von ihm. Nein, das möchte ich nicht! Noch ehe ich ihn stoppen kann, redet er weiter.
    »Ich habe sie betrogen.«
    Hitze. Kälte. Toilette.
    »Ich muss jetzt wirklich auf Toilette.«
    »Anna, ich brauche deine Hilfe.«
    »Ich habe gar nichts gehört.«
    »Bitte. Ich muss mit jemandem darüber reden.«
    »Also mit mir kann man ganz schlecht reden. Von Beziehungen verstehe ich wirklich gar nichts.« Und alle anderen drüben am Tisch, wie mir scheint, auch nicht.
    »Anna!«
    »Du und ich auf der Toilette, das hat es nie gegeben. Dieletzten Minuten? Keine Ahnung. Ich erinnere mich an nichts, und ich werde auch nicht vergessen, dass ich mich nicht erinnere.«
    Kaum wird der Platz auf dem Klodeckel frei, sinke ich darauf. Thomas wird lautstark, zurück am Tisch, begrüßt, während die Tür zum Badezimmer langsam wieder in ihr Schloss fällt. Ich sehe auf mein Handydisplay:
    Guten Tag, Frau Lenartz!
    Habe soeben Ihr Interview erhalten.
    Zur weiteren Besprechung bitte ich Sie morgen gegen 11 Uhr in mein Büro, falls es nicht zu kurzfristig für Sie ist.
    Mit besten Grüßen
    J Bender
    Zwischen Erdbeertiramisu und Käseplatte und ein bisschen Gefachsimpel zwischen Sebastian und Thomas über den Hausverkauf von Lenas verstorbener Mutter fehlen mir die Worte, was sehr schlecht ist, weil es immer Fragen aufwirft, wenn man sich unter Menschen aufhält und selbst keine Fragen stellt oder irgendetwas plaudert. Dabei hatte ich jede Menge! Warum gehen Menschen sich gegenseitig fremd? Und wenn beide es taten, sollten sie sich dann lieber trennen, oder waren sie irgendwie quitt? Würde es helfen, wenn sie es wüssten? Oder

Weitere Kostenlose Bücher