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Einzelstücke - Möller, M: Einzelstücke

Einzelstücke - Möller, M: Einzelstücke

Titel: Einzelstücke - Möller, M: Einzelstücke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michaela Möller
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übertrieben auffällig an meinem Pony, als ich in großen Schritten an Moritz und seinen viel zu nah an der Wahrheit angesiedelten Annahmen vorbeistolziere. Schnell schiebe ich seine Worte beiseite, bevor sie sich in meinen Gedanken festsetzen und ihre Anker auswerfen können. Ich bin nicht an einem Weg in mein Inneres interessiert. Ich will für den Augenblick lieber an der Oberfläche bleiben. In Wahrheit ist die Wahrheit nämlich nicht wirklich immer erstrebenswert. Was ich jetzt brauche, sind ein bisschen Lüge und Intrige. Also zücke ich mein Handy, als ich vor dem Gebäude des MeMa stehe. Ich habe genau zwei Möglichkeiten: Entweder ich rufe meinen Frisör an, oder ich melde mich bei Lena.
    *
    »Ist die Frau vom Suppenladen jetzt auch meine Mama?«
    Ich verschlucke mich an dem Chai Latte und warte darauf, dass sich Lena endlich vom Tresen loseist und zu mir an einen der sonnenverwöhnten Bistrotische vor der PETIT CUISINE setzt. Doch statt der Ehebrecherin kauert ihre Tochter auf dem Stuhl neben mir mit Bundstiften in der Hand und sieht mich mit großen Augen an.
    »Wie kommst du denn darauf?«
    »Weil der Papa der einen Kuss gegeben hat.«
    »Einen Kuss?«, frage ich und drücke Zora noch einen Filzstift in die Hand, um sie zum Malen anzuhalten. »Wohin hat der Papa die Suppenfrau denn geküsst?«
    »Hmm.« Zora fährt mit dem Stift über das Blatt vor ihr, um eine Gurke zu malen. »Weiß nicht mehr. Oder doch. Hier!« DasMädchen drückt Zeigefinger und Stift in ihre weiche Haut, so dass ein lilafarbener Strich auf ihrer Wange zurückbleibt.
    »Aaach«, lächle ich erleichtert. »Aber die Mama küsst er ja auf den Mund. Das bedeutet, dass er sie viel lieber hat als die Suppenfrau!«
    »Ja?«, fragt Zora traurig und schiebt den Stift missmutig vom Blatt. Mit ihren kleinen Fingern zieht sie an ihren geflochtenen blonden Zöpfen, aus denen einzelne Haarbüschel vom Toben herausstehen, und sieht mich an.
    »Hat der Papa mich dann auch nicht so lieb wie die Mama?«
    »Hmm! Nein, nein, nein«, beginne ich zu schwimmen und schicke einen hilflosen Blick in Richtung Theke. Kinder und ich, das passt nicht zusammen. Im Augenwinkel sehe ich Thomas, wie er auf der gegenüberliegenden Straßenseite aus dem Ford Kombi steigt. Mit Mühe wuchtet er irgendwelche Kartons aus dem Kofferraum, nachdem er sich die Hose wieder über den Bauch gezogen hat. Mit seinem Auftauchen aus dem Heck des Wagens steht die Besitzerin der SUPPENKÜCHE in der Tür ihres Ladens.
    »Schau! Da ist dein Papa. Der erklärt dir das jetzt!«, versuche ich den Blickkontakt zwischen dem Mann meiner Freundin und der Suppenkonkurrenz zu unterbinden. Kaum hat sie die gedrungene, rundliche Gestalt ihres Vaters erkannt, springt Zora vom Tisch auf und rennt über die Straße. Ein paar Bundstifte rollen ihr über den Bürgersteig hinterher, während ein Auto auf die Kleine zufährt. Mir bleibt das Herz stehen. Was mache ich nur immer? Ich bin eine Gefahr für dieses Kind. Zum Glück musste ich niemals bei ihr babysitten. Wahrscheinlich hätte sie es nicht bis zum Eintritt in die Mäusegruppe im Kindergarten geschafft. Besorgt spurte ich hinterher.
    »Zora! Hier fahren Autos!« Sie hört mich nicht. Stattdessenhüpft sie selbstbewusst über die Straße, um ihre kurzen Ärmchen um die Hüfte ihres Vaters zu schlingen.
    »Küss mich! Auf die Lippen! Sofort! Sonst hast du mich nicht mehr lieb! Das hat Anna gesagt!«
    Ich zupfe an meinem Pony und lächle Thomas dabei schulterzuckend an.
    »Kinder!«
    »Ich liebe dich mehr als alles andere auf der Welt, kleine Zora!«
    »Auch mehr als die Mama?«, fragt Zora, während wir die Straße überqueren.
    Zora und ich blicken Thomas herausfordernd an, der die Kartons auf dem Bürgersteig abstellt. Doch statt zu antworten, widmet er sich seiner Tochter.
    »Weißt du was, kleine Zora, das Freibad hat auf! Lauf schnell zu Mama, und hol deine Schwimmsachen. Wir wollen doch die ersten auf der Krakenrutsche sein!« Er schiebt seine Tochter vor sich her.
    Als die Kleine in den Laden hüpft und aufgrund ihrer Größe, bis auf ein paar vom Kopf abstehende Haare, hinter der Theke verschwunden ist, sieht Thomas mich fragend an.
    »Ich muss mit Lena reden, nicht wahr? Ich muss es ihr beichten. Ich kann kaum noch ruhig schlafen wegen dieser Sache.«
    Ich presse die Lippen aufeinander, obwohl mir eh kein Wort über die Lippen kommt. Erwachsene sind noch komplizierter als Kinder.
    »Ich kann dazu nichts sagen.« Achselzuckend setze ich

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