Einzelstücke - Möller, M: Einzelstücke
verabschieden!«
Während Lena redet und redet, versuche ich, ihre Mimik zu entschlüsseln. Würde sie gleich zusammenbrechen? Oder noch vor mir zu Frau Sondtheims Geranien greifen?
»Als ich jedoch die SUPPENKÜCHE betreten habe und Mona mich erblickte, hat sie rumgeheult und gemeint, dass sie nicht wollte, dass das alles so weit kommt, und dass es einfach passiert sei, und da sie nun auch noch schwanger und dadurch natürlich alles unendlich kompliziert geworden wäre, bliebe ihr nichts anderes übrig, als auf Thomas’ Bedingungen einzugehen und Köln zu verlassen.«
»Das ist …«
»… unerträglich, Anna! Ich habe gedacht, ich fühle nicht mehr viel für Thomas, aber auf einmal ist alles wieder da.«
»Wie bitte?«
»Na, ich dachte, Thomas und ich, das mit uns, das sei schon lange vorbei, aber die Vorstellung, dass er mit dieser Mona … ich weiß gar nicht, was ich denken soll. Ich kann nur sagen, dass es sich verdammt beschissen anfühlt.«
19.
Die ewige Suche nach der perfekten Currywurst
I rgendwie ist es doch bescheuert, dass wir immer das haben wollen, was wir nicht haben können. Warum steigt der Reiz dessen ins Unermessliche, was aus unserem Möglichkeitsfeld herausragt? Warum wollen wir das letzte Sommerkleid in unserer Größe erst, wenn es eine andere Frau vom Bügel nimmt und überstreift, obwohl wir es selbst gerade noch in der Hand hatten und es für langweilig befunden haben?
Während ich das noch weitestgehend menschenleere Großraumbüro durchkreuze, werde ich von Moritz’ Anwesenheit in der Redaktion aus meinen Gedanken gerissen. Auf meinem Weg zum Schreibtisch kommt er mir entgegen. Geradezu unmöglich, dass Moritz vor mir im MeMa ist und vorher noch etwas in seinem Atelier erledigt hat. Meine volle Aufmerksamkeit gehört schlagartig ihm. Seinem Gang, dem Fall seiner Kleidung, der leichten Bewegung seines Kopfes, seinen tiefbraunen Augen. Ich öffne meine Lippen für ein sanftes Lächeln, Moritz hingegen läuft einfach an mir vorbei, ohne auch nur sein Kinn von der Brust zu heben.
Hallo! Hier steht die Frau vor dir, aus deren Bauchnabel du gestern Nacht noch einen halben Liter warmen Honig geschlürft hast!
»Moritz?«
Moritz bleibt abrupt stehen und sieht mich mit sanftem Blick an.
»Was?«
»Was soll das? Wieso ignorierst du mich?«
»Ich ignoriere dich nicht. Ich habe dir doch gesagt, dass ich Berufliches und Privates trenne, was in jedem Fall sinnvoll ist.«
»Ach ja?« Es passt mir gar nicht, dass er diese Meinung vertritt. Es ist ja nicht so, dass ich seinen Standpunkt nicht verstehen kann, aber wie Moritz sich verhält, hat nichts mit einem Verschweigen unserer Affäre in der Redaktion zu tun. Vielmehr tut er gerade so, als ob ich im MeMa gar nicht existieren würde. Würde er nicht mit mir schlafen, könnte ich mich versucht sehen, darüber nachzudenken, mit dem Betriebsrat ein paar Wörtchen über Mobbing am Arbeitsplatz zu verlieren! Aber da ich davon ausgehe, dass wir noch nicht mal einen Betriebsrat haben, muss ich die Sache wohl so oder so mit Moritz allein klären. Nicht jetzt. Nicht hier. Zu Hause. Da sind wir in dem Terrain, in dem er mit mir redet.
»Außerdem«, setzt Moritz weiter an, »denke ich, muss ich dich nicht der ganzen Redaktion als meine neue Freundin vorstellen, wenn du noch nicht einmal deiner Freundin von mir erzählst.«
Hm.
Mist.
Ich beiße mir auf die Unterlippe, da ich leider hierauf gar nichts Schlaues argumentieren kann. Außerdem beschäftigt mich schlagartig etwas ganz anderes. Hatte Moritz gerade »meine neue Freundin« gesagt?
»Okay, ich muss jetzt auch los. Ciao, Anna.«
»Ciao? Du lässt mich hier einfach stehen mit einem Ciao?« Meine Stimme überschlägt sich ungewollt.
Ohne Worte, dafür mit verschränkten Armen und festem Gang, lässt Moritz mich daraufhin tatsächlich unvermittelt zwischen Schreibtischkante und Computerbildschirmen stehen. Wütend über mich selbst und diese peinliche Situation, drehe ich mich um. Erst jetzt bemerke ich Jürgen Bender, der auf mich zukommt.
Auch das noch. Natürlich hat ausgerechnet mein Chef meinen Streit mit Moritz mitbekommen.
»Frau Lenartz … Anna, gibt es irgendein Problem?«
»Oh, nein. Es ist nur …«
»Ich verstehe schon. Machen Sie sich bitte nichts daraus. Moritz ist einfach ein etwas schwieriger Typ.«
»So?«
»Aber da ich Sie gerade treffe, ich bin ganz begeistert von der guten Zusammenarbeit zwischen Ihnen und Herrn Winsberg. Ich habe Ihr exzellentes
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