Einzelstücke - Möller, M: Einzelstücke
mittelschweren Dachschaden!
Moment.
Was ist das?
Unter meinem Hinterkopf spüre ich etwas Hartes. Neugierig wandern meine Finger unter das Kopfkissen und ziehen eine samtbezogene Schachtel hervor. Für Anna , steht auf einem kleinen daran befestigten Zettel.
Oh.
Ich sag ja, wir haben ihn alle, den Dachschaden!
Ich klappe die Schachtel auf, und drin ist, was nicht drin sein darf.
Verdammt.
Ich atme so tief aus, dass der Pony auf meiner Stirn umhertanzt, und versuche, mich dessen zu besinnen, was jetzt jede erwachsene, kultivierte Frau tun würde: Sofort und unter Auslassung jedweder weiteren Verzögerung die Flucht ergreifen!
Ich schließe die Schachtel. Ich schließe die Tür zum Schlafzimmer hinter mir. Ich schließe die Augen, als ich an Alex und dem Flügel vorbeilaufe. Im Flur suche ich nach meiner Jacke zwischen einem Cordblazer und einem Trenchcoat. Mit dem Fundstück unter dem Arm drehe ich mich wieder Richtung Wohnzimmer, um Alex zu fixieren, stattdessen stürmt mir jedoch Lena, die soeben ihre allgegenwärtige Contenance verloren zu haben scheint, mit tiefrotem Gesicht und verzerrten Mundwinkeln entgegen. In ihrem Schatten versucht Thomas, Schritt zu halten.
»Lena, bitte! Ich habe einen Fehler gemacht, aber ich habe doch keine Affäre mit Mona! Wie kommst du denn auf so etwas? Das ist doch Irrsinn! Ich, eine Affäre?«
Meine Freundin reißt hektisch an der Garderobe, bis sich ihr Trenchcoat vom Haken und der kleinen Aufhängelasche am Futter verabschiedet. Ihr Blutkreislauf ähnelt sicherlich gerade einem voll aktiven Jakuzzi auf höchster Whirlpool-Stufe. So habe ich meine Freundin wirklich äußerst selten gesehen. Ich trete einen Schritt zur Seite in dem Wissen, dass wenn ich ihr jetzt sagen würde, dass sie sich erst mal beruhigen solle, sie mir mit großer Sicherheit erst mal eine runterhauen würde. Meine Freundin ist wie ein Vulkan, auf dem man zwischen ein paar Grasbüscheln die friedvolle Nähe zum Himmel genießen kann und sich über Hunderte von Jahren Touristengruppen hoch- und wieder herunterschlängeln, um anschließend bei Bimbo in der Touristenbude Postkarten undMiniaturplastiknachbauten vom Naturidyll zu kaufen. Aber wenn dieser Vulkan einmal in fünfhundert Jahren ausbricht, dann hilft wirklich nur noch das eine: Einen Schritt zur Seite gehen. Thomas hingegen latscht mitten in die Lava und gönnt sich einen tiefen Zug Aschestaub.
»Lenamausi! Bitte. Jetzt beruhige dich doch. Ich liebe nur dich! Ich habe das alles doch nur für dich getan!«
Lenamausis Augen verengen sich. Ein letztes Mal dreht sie sich zu dem schweißgebadeten Thomas um. »Du bist so unglaublich erbärmlich! Wenn du schon Manns genug bist, die Nachbarin zu schwängern, dann sei auch Manns genug, dazu zu stehen!« Dann fällt die Tür zwischen Thomas und Lena ein für allemal zu. Nach ein, zwei Schrecksekunden fuchtelt Thomas mit den Händen in der Luft herum und beschimpft die Wohnungstür mit »Du, du unschöne Ehefrau!«, um sich daraufhin mit abstehenden Haaren, hochrotem Kopf und dunklen Schweißrändern in seinem Hemd zurück zum Kölschkasten in der Küche zu begeben. Nachdem Thomas’ Rücken im Flur verschwindet, fällt mein Blick wieder auf Alex hinter dem Flügel. Ohne das Stück, das er gerade spielt, zu unterbrechen, zieht er mich mit seinen Augen zu sich, bis ich neben ihm auf der gepolsterten Bank Platz nehme.
Fluchtgedanken hin oder her.
»Warum ist meine Anna so traurig?«
Mit dem Blick auf sein atemberaubendes Lächeln rede ich, während Alex’ Finger in Sanftmut und Eleganz die Tasten weiter berühren, um ihnen ein Stück von Chopin zu entlocken.
»Du bist ein wunderbarer Mann, Alex. Du bist die hellste Kerze auf dem Kuchen, der erste Löffel Crème bruleé, der letzte Schluck Rotwein nach einem wunderbaren Tag. Ich liebe dich für alles, was du bist, weil du mich so lässt, wie ich bin. Aber ich werde dir nie mehr geben können als das, was uns im Moment verbindet, ichmeine, ich kann dir keine stabile Beziehung geben. Ich habe gerade unsere Unverbindlichkeit immer genossen. Unsere Freiheit. Ich sage dir das jetzt so in dieser Deutlichkeit, weil ich befürchte, dass du mit unserer Unverbindlichkeit nicht länger zufrieden bist und dir eine feste Beziehung wünschst. Vielleicht liege ich damit auch völlig falsch, ich weiß es nicht, ich will dir nur sagen, dass ich möchte, dass sich nichts zwischen uns ändert.«
Der Flügel verstummt.
Der Glanz in Alex’ Augen verschwindet.
»Ich
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