Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Eis und Dampf: Eine Steampunk-Anthologie (German Edition)

Eis und Dampf: Eine Steampunk-Anthologie (German Edition)

Titel: Eis und Dampf: Eine Steampunk-Anthologie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mike Krzywik-Groß , Torsten Exter , Stefan Holzhauer , Henning Mützlitz , Christian Lange , Stefan Schweikert , Judith C. Vogt , André Wiesler , Ann-Kathrin Karschnick , Eevie Demirtel , Marcus Rauchfuß , Christian Vogt
Vom Netzwerk:
Fingernagel an einer Stelle am Hals, zog die Stirn kraus, schüttelte den Kopf und stellte das Gefäß unzeremoniell auf den Schreibtisch zurück: „Sie ist eine Fälschung.“
    „Wie kommen Sie darauf?“, fragte Al Hadary, nahm Platz und zog seinen Anzug zurecht.
    „Oh, einfach!“, entgegnete Heinrich. „Hätte das Material sich Jahrtausende in einer Grabstätte befunden, dann könnte es kaum so gut erhalten sein. Wenn ich mit dem Fingernagel an der Oberfläche kratze, müsste diese deutlich feiner abbröckeln, als sie das soeben getan hat. Die Anordnung der Glyphen erfolgte nicht in bekannter Art und Weise, ihre Reihung erscheint mir beliebig, als habe sie jemand aufgebracht, der nicht nur nicht wusste, was sie bedeuten, sondern auch nicht, wie sie üblicherweise angeordnet sind. All das und besonders die Tatsache, dass ich keinerlei Öffnungsmöglichkeit an den üblichen Stellen erkennen kann, sagt mir: Diese Kanope wurde vermutlich geschaffen, um sie teuer an arglose Reisende zu verkaufen. Oder um heutige Grabräuber zu täuschen.“
    Al Hadary nahm diese Worte ohne sichtbare Regung zur Kenntnis und fragte: „Sind Sie einer dieser heutigen Grabräuber, Herr Jonas?“

    Heinrich hob zu sprechen an, hielt inne, schüttelte den Kopf, sah dem Kurator fest in die Augen und entgegnete: „Nein. Ich bin Akademiker, Forscher, Wissensdurstiger. Die antiken Schätze des Landes Ægypten haben von mir nichts zu befürchten. Ich will die Rätsel der Hieroglyphen entschlüsseln, will mein Wissen und das Wissen der bekannten Welt mehren, und wenn meine Worte Sie nicht überzeugen“, die nun folgende Pause kam selbst dem Archæologen aus der Colonia theatralisch vor, „dann stellen Sie mir Männer zur Seite, die jeden meiner Schritte und jede Bewegung meiner Hände überwachen! Ich bin nicht hier, um Ægypten zu berauben, sondern um es zu bereichern!“
    Wenn die Ansprache etwas gefruchtet haben sollte, war es an Al Hadarys Miene nicht abzulesen. Er musterte einige Herzschläge lang einen imaginären Punkt an der Wand hinter Heinrich. Dem war bewusst, dass der Mann ihn zappeln ließ, aber das focht ihn nicht an. Der Kurator war derjenige, der ihm erlauben konnte, an den wirklich interessanten Stätten zu forschen, Befehl des Khediven hin oder her, und er war bereit, ein wenig Stolz dagegen einzutauschen.
    Doch dann lachte der Ægypter plötzlich. „So sei es! Ich glaube Ihnen. Sie dürfen die großen Pyramiden von Gizeh und auch andere Stätten erforschen, ich werde Ihnen keine Steine in den Weg legen. Wie Sie es begehren, werden einige Männer, denen ich traue, Sie begleiten.“ Al Hadary erhob sich. „Viel Erfolg.“
    Heinrich verstand, dass er entlassen war, grübelte kurz, ob er noch etwas sagen solle, entschied sich für ein „Vielen Dank!“, stand ebenfalls auf und eilte sich, das Büro flugs zu verlassen, bevor der Ægypter es sich anders überlegte. Denn das scheinbar wohlwollende Lächeln auf dem Gesicht des Kurators erreichte dessen Augen nie. Diese hatten mehr Kälte verströmt als der skandinavische Winter …

    Zwei Wochen lang grub Heinrich sich geradezu im Ægyptischen Museum ein, vertiefte sich in die gesammelten Unterlagen und Forschungsergebnisse, die dort aufbewahrt wurden. Es bedeutete für ihn kein Hindernis, dass die Texte in jener Abart des Arabischen verfasst waren, die im Land der Pyramiden gesprochen und geschrieben wurde, denn dank seiner vorangegangenen Studien beherrschte er Schrift und Sprache leidlich gut. Das hatte ihm auch Farid bestätigt, nach dessen Aussage er aufgrund seines Dialektes sogar als Südægypter hätte durchgehen können. Diese befleißigten sich anscheinend einer eher verschliffenen Aussprache. Andererseits hatte der junge Einheimische bei seiner Behauptung schelmisch gegrinst …
    Nach der Erlaubnis Al Hadarys hatte man ihm, anders als anderen Forschern aus dem Norden, keinerlei Steine mehr in den Weg gelegt. Er sah sich in die Lage versetzt, alle Artefakte des Museums begutachten und jegliche Schriften und Verzeichnisse einsehen zu dürfen. Möglicherweise mochte Letzteres auch daher rühren, dass man annahm, er könne die Aufzeichnungen nur rudimentär entziffern. Der Kurator ließ sich in all der Zeit nicht sehen. Überhaupt schien er sich selten im Museum aufzuhalten. Wahrscheinlich leitete er irgendwo eine Ausgrabung.
    Informationen, die ihm interessant erschienen, vermerkte der Mann aus der Colonia in einer Reihe von Notizbüchern, die er üblicherweise in

Weitere Kostenlose Bücher