Eis und Wasser, Wasser und Eis
Decke, ganz dünne, helle Streifen mit scharfen Kanten. Sie blieb still liegen und betrachtete sie eine Weile, während sie sich anstrengte, im gleichen Takt wie Birger zu atmen. Er schlief hinter ihrem Rücken. Es war ein leichter Schlaf, schnell zu unterbrechen, mit einer bloßen Bewegung oder einem Räuspern, aber Inez bewegte sich nicht und räusperte sich nicht. Sie wollte, dass er weiterschlief, sie wollte diese Zeit für sich allein haben.
Wie spät war es? Nicht einmal sechs. Sie hob die Decke ein wenig und streckte sich vorsichtig.
Birger murmelte plötzlich etwas im Schlaf, es klang, als diskutierte er, aber ohne dass sie ihn richtig verstehen konnte, dann schnappte er nach Luft und begann zu wimmern. Inez schmunzelte vor sich hin. Was für ein Glück, dass Birger nie träumte …
Das Wimmern wurde lauter und zu einem Jammern, ein schriller Laut, der bald in Weinen oder Aufwachen übergehen würde, wenn sie dem nicht einen Riegel vorschob, also drehte sie sich um und stieß ihn leicht an der Schulter an. Das genügte. Der Albtraum ließ von ihm, und er drehte ihr den Rücken zu, schmatzte einige Male und schluckte, bevor er so tief wieder in den Schlaf fiel, dass sie ihn nicht einmal mehr atmen hören konnte. Gut so.
Heute war Walpurgisnacht, also hatte sie den halben Tag frei. Nur die Hälfte der sonst üblichen Anzahl an eingebildeten Teenagern bekäme heute Unterricht in der Kunst zu putzen, zu waschen und einem Kerl das Maul mit Essen zu stopfen. Inez schmunzelte zur Decke und streckte sich noch einmal. Nur noch gut ein Monat bis zu den Ferien. Ihr definitiv letzter Monat als Hauswirtschaftslehrerin. Wenn sie in ein paar Jahren zurück zur Schule käme, dann als Studienrätin für Schwedisch und Englisch. Oder als Oberstudienrätin. Obwohl, Letzteres traute sie sich nicht laut zu sagen. Dann bestand das Risiko, dass aus Birgers Mitwirkung Konkurrenzstreben würde, und sich dem auszusetzen, dazu hatte sie absolut keine Lust. Jedenfalls noch nicht. Zuvor galt es andere Gefechte auszukämpfen.
Aber einen dieser Kämpfe hatte sie bereits ausgefochten und gewonnen. Am vergangenen Samstag war Elsie endlich in ihre neue Wohnung gezogen. War die Nachbarin ihrer Mutter geworden statt die Untermieterin ihrer Schwester. Vier Monate lang hatte sie sich mit all ihrem Widerstreben und ihrer Zögerlichkeit in der Dachkammer festgebissen. Zwei Monate lang hatte sie darauf gewartet, dass die Renovierung der neuen Wohnung fertig wurde, und zwei weitere Monate hatte sie damit vertrödelt, sich zu wundern, was alles so angeschafft werden musste, um dort wohnen zu können. Käsehobel und Sofa, Spiegel und Duschvorhang, Küchentisch und Töpfe … von den Vorhängen ganz zu schweigen. Inez seufzte schwer, so schwer, dass eine kleine Lücke in Birgers Schlaf entstand, blieb dann reglos liegen und wartete, dass er in seine nicht existierenden Träume zurückfallen würde.
Vielleicht waren es ja die Vorhänge, die Elsie schließlich in Bewegung versetzt hatten, und die Tatsache, dass Inez sie aus purer Verzweiflung selbst genäht und aufgehängt hatte. Elsie hatte danebengestanden und fast pausenlos Einwände vorgebracht, aber Inez war immer wortkarger geworden, und zum Schluss schien Elsie endlich begriffen zu haben, dass Inez sie wirklich aus dem Haus haben wollte. Da hatte sie schließlich das Bett gekauft und war ausgezogen. Ohne eine Leere zu hinterlassen.
Aber vielleicht war es ungerecht, so zu denken. Elsie hatte ja ganz unmerklich einen Teil von Inez’ Arbeitsaufgaben übernommen, auch wenn nie jemand sie dazu aufgefordert hatte. Plötzlich hingen einfach alle Kleider gewaschen und gebügelt in den Schränken, alle Ecken des Hauses waren gesaugt worden, alle Möbel glänzten frisch poliert. Und die wenigen Male, genau gesagt, die drei Male, als Björn zu Hause war, da hatte sie sehr sorgfältig darauf geachtet, ihn nicht für sich allein zu beanspruchen. Sie verkehrten während der Mahlzeiten miteinander, nicht mehr und nicht weniger. Genau wie Inez. Auch sie verkehrte bei den Mahlzeiten mit Björn. Nie in irgendeinem anderen Zusammenhang. Nicht ein einziges Mal hatte er …
Nein. Nicht jetzt daran denken. Oder an die Tatsache, dass Susanne heute mit Björn im Bus mitfahren würde, dass sie mit ihren gerade erst fünfzehn Jahren auf einer drei Tage langen Tournee mitfahren und dann den Zug zurück nach Landskrona nehmen würde. Die ganze weite Strecke von Östergötland. Und das in Gesellschaft dieser Eva
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