Eis und Wasser, Wasser und Eis
still.
Der Duft vom Herd war vielversprechend. Daran gab es keinen Zweifel. Und das Hühnerfrikassee war lecker, dennoch hatte sie Schuldgefühle, weil sie es sich so leicht gemacht hatte, viel zu leicht, und das ärgerte sie. Warum durfte sie sich keinen Samstag freinehmen? Wie alle anderen? Sie wurde lauter:
»Ich habe gesagt: Essen ist fertig!«
Das genügte. Sie konnte hören, wie Susanne im Waschbecken im Badezimmer Wasser laufen ließ und Birger im Wohnzimmer die Zeitung zusammenfaltete. Eine kleine Gemeinheit regte sich im Hinterkopf – hoffentlich ist es nicht zu anstrengend für ihn, sich bis in die Küche zu schleppen! – , aber sie schob sie schnell beiseite, band sich die Schürze ab und hängte sie an ihren Platz, setzte sich dann an den Küchentisch.
Birger kam zuerst herein. Er sah sie nicht an, richtete seinen Blick auf den Esstisch, rieb sich die Hände, wie er es immer tat, während er zu seinem Stuhl schlurfte. Ein Fantasiebild huschte durch Inez’ Kopf. Sie sah sich selbst über den sorgfältig gedeckten Küchentisch gebeugt und ihn anfauchen. Wie eine Katze. Vielleicht spürte er das, vielleicht warf er ihr deshalb schnell einen Blick zu und wich dann ebenso schnell mit seinem Blick wieder aus. Susanne kam gleich nach ihm, sie schaute keinen von beiden an, schob sich nur eine Haarsträhne aus dem Gesicht und hinters Ohr.
»Hallo«, sagte Inez.
Susanne zog ihren Stuhl heraus und setzte sich.
»Hallo«, sagte sie geistesabwesend.
Wieder wurde es still. Inez beobachtete Birger, während er sich ganz selbstverständlich als Erster bediente. Er füllte seinen Teller auf, ohne sie anzusehen.
Mit dem werde ich fertig, dachte sie. Das schaffe ich. Wenn ich mich nur anstrenge.
Susanne streckte sich nach dem Reis.
Mit der auch. Das wird nicht so schwer.
Inez schenkte sich Milch in ihr Glas, legte sich dann die Serviette auf den Schoß und sagte:
»Ich habe etwas beschlossen.«
Sie hielten in ihrer Bewegung inne. Alle beide. Ließen die Gabeln sinken und sahen sie endlich an.
»Prost«, sagte Karl-Erik . »Und es tut mir leid.«
Elsie betupfte sich die Oberlippe mit der Serviette und hob dann ihr Glas.
»Dafür gibt es keinen Grund.«
Er legte den Kopf schräg.
»Wirklich nicht?«
»Wirklich nicht.«
Karl-Erik stellte die Ellbogen auf den Tisch und beugte sich vor.
»Ich gehe eigentlich nie mit. Ab und zu müssen sie die Erwachsenen auch mal los sein.«
Elsie lächelte, sagte jedoch nichts dazu.
»Denn im Grunde genommen sind sie doch noch Kinder«, fuhr Karl-Erik fort. »Richtige Gören. Unter uns gesagt. Und ihre Partys können ziemlich ermüdend sein.«
Elsie lächelte immer noch. Das war ein höfliches Lächeln, ein Lächeln mit geschlossenen Lippen, das mehr verbarg, als es preisgab. Aber vielleicht war trotz allem eine Äußerung notwendig.
»Das kann ich mir denken.«
»Und heute Abend wird es bestimmt schlimmer als üblich …«
Elsies Lächeln erlosch. Karl-Erik runzelte die Stirn und hob die Hand in einer Stoppgeste.
»Aber deshalb brauchen Sie sich keine Sorgen zu machen. Björn trinkt nie zu viel. Niemals. Raucht auch kein Gras. Das weiß ich absolut sicher. Er ist ein solider Bursche. Ungewöhnlich solide.«
Elsie ließ ihr Lächeln wieder aufglimmen. Wie lange würde sie es mit diesem Kerl noch ertragen? Hatte er geplant, Vorspeise, Hauptgericht und Dessert zu essen? Und konnte sie in diesem Fall eventuell schon abhauen, bevor das Dessert kam? Nein. Das konnte sie nicht. Dazu war sie zu wohlerzogen.
»Danke«, sagte sie. »Das ist gut zu hören.«
Er sah zufrieden aus.
An dem Essen war nichts auszusetzen. Im Gegenteil. Und das Restaurant war gemütlich, mit karierten Tischdecken und Kerzen in leeren Weinflaschen. Es sah tatsächlich eher so aus, als befänden sie sich in Paris als in London. Abgesehen von der üppigen Kellnerin mit steif gespraytem Haar und einem schrillen Lachen. Das konnte nur englische Arbeiterklasse sein.
Karl-Erik plapperte weiter. Alles, was sie tun musste, war lächeln, nicken und ab und zu die eine oder andere Frage einflechten. Nicht, dass das so leicht war, schließlich redete er über eine Welt, die sie nicht kannte, und über Leute, von denen sie noch nie gehört hatte. Andererseits hatte sie jahrelange Erfahrung darin, mit Männern über Dinge zu reden, von denen sie nichts verstand, und über Leute, von denen sie noch nie zuvor gehört hatte. Aber der Unterschied war, dass sie sonst nie nur zu zweit mit ihnen war. Sie ging nie
Weitere Kostenlose Bücher