Eisberg
Fisch.
»Herr des Himmels, Mr. Rondheim, Sie haben ordentlich Kraft!«
»Tut mir leid, Major.« Rondheims Miene verzog sich angewidert, und seine Hand zuckte zurück, als hätte ihn ein elektrischer Schlag getroffen. »Die Männer, die für mich arbeiten, sind ein rauhes Volk und müssen auch so behandelt werden. Das vergesse ich manchmal, wenn ich nicht an Deck eines Fischerbootes bin.«
»Sie brauchen sich nicht zu entschuldigen, Mr. Rondheim. Ich bewundere kraftvolle Männer.« Pitt hielt seine Hand hoch und schüttelte sie. »Sie ist ja noch ganz, und mit dem Pinsel kann ich immer noch umgehen.«
»Sie malen, Major?« fragte Kirsti.
»Ja, meistens Landschaften. Aber ich male ebenso gern Blumenstilleben. Blumen haben irgend etwas an sich, das die Seele anregt, finden Sie nicht auch?«
Kirsti sah Pitt neugierig an. »Ich würde Ihre Arbeiten gern einmal kennenlernen.«
»Unglücklicherweise habe ich alle meine Bilder in Washington. Es wäre mir jedoch ein Vergnügen, wenn ich Ihnen meine isländischen Impressionen vorstellen dürfte, solange ich hier bin.« Pitt führte in einer weiblichen Geste den Finger an den Mund. »Wasserfarben, das ist es. Ich werde mich mit Aquarellen beschäftigen. Vielleicht wollen Sie sie in Ihr Büro hängen.«
»Sie sind außerordentlich freundlich. Aber ich weiß nicht …«
»Unsinn«, fiel ihr Pitt ins Wort. »Ihre Küste ist phantastisch. Ich möchte für mein Leben gern herauskriegen, ob ich die gegensätzlichen Kräfte von Meer und Felsen, die in einem Wirbel von Licht und Farbe aufeinandertreffen, einzufangen vermag.«
Kirsti lächelte höflich. »Wenn Sie darauf bestehen … Aber Sie müssen mir erlauben, daß ich mich in irgendeiner Weise dafür erkenntlich zeige.«
»Das können Sie vorher schon. Ich brauche ein Boot. Sie haben doch Boote. Um Ihrer Küste gerecht zu werden, muß ich Sie von der See aus skizzieren. Eine kleine Yacht würde genügen.«
»Sprechen Sie mit meinem Dockmeister. Er wird Ihnen eine Yacht zur Verfügung stellen.«
Sie zögerte, als Rondheim ungeduldig zu werden schien und ihr die Hand auf Hals und Schultern legte. »Unsere Boote liegen am Pier 12.«
»Komm, Schätzchen«, forderte Rondheim sie sanft auf und entblößte seine weißen Zähne.
»Max liest heute abend aus seinem neuen Gedichtband. Wir sollten nicht zu spät kommen.«
Seine Hand schloß sich, und sie schlug die Augen nieder. »Ich hoffe, Sie entschuldigen uns.«
»Selbstverständlich«, erklärte Sandecker. »Es waren zwei reizende Stunden, Miss Fyrie. Vielen Dank, daß Sie uns Gesellschaft geleistet haben.«
Bevor noch jemand etwas hinzufügen konnte, hakte sich Rondheim bei Kirsti unter und führte sie durch den Speiseraum. Als sie durch die Tür verschwunden waren, warf Sandecker seine Serviette auf den Tisch. »Okay, Dirk, ich schlage vor, Sie erklären uns jetzt Ihre kleine Komödie.«
»Welche Komödie?« fragte Pitt unschuldig.
»Ich bewundere kraftvolle Männer«, äffte ihn Sandecker nach. »Dieses verdammte Schwulenspiel, das meine ich. Sie hätten bloß noch zu lispeln brauchen.«
Pitt beugte sich vor, stützte die Ellbogen auf den Tisch und sagte mit todernstem Gesicht: »Es gibt Situationen, in denen es ein entscheidender Vorteil ist, unterschätzt zu werden.«
»Rondheim?«
»Genau. Er ist der Grund, weshalb sich Fyrie Ltd. plötzlich gegen eine Zusammenarbeit mit den Vereinigten Staaten und der NUMA sträubt. Der Mann ist kein Dummkopf. Hat er erst einmal Kirsti Fyrie geheiratet, hat er die Leitung der zwei größten Privatunternehmen der Welt in seiner Hand. Das eröffnet ihm ungeheure Möglichkeiten. Island und seine Regierung sind zu schwach, und seine Wirtschaft hängt zu sehr von diesem Fyrie-Rondheim-Konzern ab, als daß sie sich auch nur im mindesten zur Wehr setzen könnten. Also bekommt Rondheim, wenn er es richtig anstellt, auch die Färöer-Inseln und Grönland in den Griff und kontrolliert damit praktisch den Nordatlantik. Man kann leicht erraten, wonach dann sein Ehrgeiz strebt.«
Sandecker schüttelte den Kopf. »Das sind reine Spekulationen. Kirsti Fyrie würde ein solches internationales Spiel nie mitmachen.«
»Sie wird gar keine andere Wahl haben«, erwiderte Pitt.
»Bei Verheirateten übernimmt automatisch der Stärkere die Führung.«
»Eine verliebte Frau ist blind, meinen Sie?«
»Nein«, antwortete Pitt. »Ich nehme nicht an, daß Liebe dieses Paar zusammenhält.«
»Jetzt geben Sie sich auf einmal als Fachmann in
Weitere Kostenlose Bücher