Eisblume
später von einem der Schaulustigen dorthin geworfen worden sein. Gib uns einen Tatverdächtigen, und wir schauen, was wir machen können.«
Brander seufzte resigniert. »Na gut, kommen wir zu den möglichen Motiven.«
»Haben wir mehrere?«, wunderte sich ein Kollege von der Schutzpolizei.
»Ja. Erstens wäre da das Motiv Raub. Jemand könnte versucht haben, Vockerodt zu bedrohen, damit er ihm zum Beispiel sein Geld gibt.«
»Er hatte kaum etwas bei sich«, warf Peppi ein.
»Das konnte unser Täter nicht wissen. Vockerodt sagt, er hat kein Geld. Der andere wird wütend und schlägt zu. Es kommt zu dem tragischen Ausrutscher.«
»Und dann tritt er noch ein paarmal nach? Ich weiß nicht.« Hendrik öffnete mit einem lauten Knacken eine Walnuss und warf sich den Inhalt in den Mund.
»Nehmen wir unseren Sportstudenten. Den Ex von Vockerodts Freundin. Aus irgendeinem dummen Zufall begegnen sich die beiden nachts. Es kommt zum Streit. Lüdke tritt ihn. Vockerodt stürzt. Lüdke ist noch immer rasend vor Wut und Eifersucht, tritt noch zweimal zu, bis er merkt, dass er zu weit gegangen ist. Er bekommt Panik und flüchtet«, konstruierte Peppi ein Szenario.
»Dafür wirkte er aber sehr entspannt, als er zur Befragung bei uns war«, gab Brander zu bedenken.
»Bis du ihn nach Vockerodt gefragt hast. Erinnerst du dich? Da begann die Fassade rapide zu bröckeln«, erinnerte ihn die Kollegin.
Brander schrieb die Worte »Raub« und »Eifersucht« auf die obere Hälfte des Blattes, auf dem er grob den Tatort skizziert hatte.
»Nächstes Motiv: Fremdenhass«, setzte er an.
»Drewitz ist aus dem Schneider. Er hat in der Nacht von Dienstag auf Mittwoch gearbeitet. Die Kollegen in Balingen haben das überprüft. Die haben eine Stechuhr in dem Unternehmen, in dem Drewitz arbeitet. Er hat um einundzwanzig Uhr neunundvierzig eingecheckt und morgens drei Minuten nach sechs die Schicht beendet«, berichtete Peppi, die den Nachmittag dazu genutzt hatte, ihren Fehler vom Morgen wieder auszumerzen.
»Deswegen könnte er trotzdem zwischendurch …«
»Nein, gegen dreiundzwanzig Uhr fünfzehn gab es ein Problem mit einer Maschine. Es gibt mindestens zwei Mitarbeiter und einen externen Kundendienstler, die bezeugen können, dass Drewitz gegen Mitternacht dort war. Im Übrigen – woher hätte Drewitz wissen sollen, dass er um Mitternacht in der Eugenstraße auf Vockerodt treffen könnte? Da hätte die Tat geplant sein müssen. Und so, wie die Risch es beschrieben hat, ist Vockerodt relativ spontan spazieren gegangen.«
»Was er aber auch anscheinend ziemlich oft nachts tat. Ich schreib es mal trotzdem in Klammern dazu. Drewitz ist ja leider nicht der einzige Nazi in der Region. Was haben wir noch?«
»Der große Unbekannte. Jemand, der einfach nur auf Stunk aus war und jemanden suchte, den er aufmischen konnte«, ergänzte Hendrik die Motivsammlung.
»Ha jo, dô hôts meh als d’ denksch!«, stimmte Neidhart zu.
Brander ergänzte seine Skizze und las vor: »Raub, Eifersucht, Fremdenhass, Aggression.« Er wandte sich seinem Team zu. »Wo setzen wir an?«
»Ich finde, wir sollten noch mal mit der Risch über Vockerodt und ihren Ex sprechen«, schlug Peppi vor.
»Machst du einen Termin mit ihr aus?«
»Ja.«
»Ich möchte, dass die Umgebung des Tatorts noch einmal abgeklappert wird. Schaut euch um, sprecht mit den Leuten, die ihr trefft. Sprecht mit denen, die neugierig aus dem Fenster schauen. Haltet nach möglichen Verstecken Ausschau.« Brander sah, wie einige Kollegen unwillig das Gesicht verzogen. »Ich weiß, dass ihr das seit Tagen tut. Aber wir müssen weitersuchen. Irgendwo finden wir etwas. Es kann nicht sein, dass hier ein Mensch auf offener Straße erschlagen wird und wir …«
Brander hob die Hände und sah auffordernd in die Gesichter. »Es gibt in der Nähe des Tatorts einen afrikanischen Catering-Service. Befragt die Leute, die da arbeiten. Vielleicht kannten sie Vockerodt, vielleicht war er deswegen in der Nacht dort. Vielleicht haben die eine Ahnung, wem Vockerodt begegnet sein könnte.«
Brander sah zu Neidhart, der in der Kriminalinspektion 4 unter anderem für die Prostitutionsüberwachung zuständig war. »Magnus, hör dich bitte mal bei deinen Damen um. Die kennen eine Menge schwere Jungs, vielleicht ist unser Mann dabei.«
»Isch recht«, entgegnete Neidhart mit der ihm eigenen Gemütlichkeit.
Cecilia war nicht zu Hause, als er abends gegen halb zehn die dunkle Wohnung betrat. Er erinnerte sich,
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