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Eisblume

Eisblume

Titel: Eisblume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sybille Baecker
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Weg. Zwei von ihnen packten mich und hielten mich fest, und die anderen haben vor meinen Augen meine Freunde zusammengeschlagen. Ich konnte nichts tun. Sie hielten mir den Mund zu, damit ich nicht um Hilfe schreien konnte. Ich hatte solche Angst! Noch nie in meinem Leben hatte ich so viel Angst. Sie taten mir auch weh, aber schlimmer war, dass ich mit ansehen musste, was sie mit meinen Freunden taten.«
    Peppi schluckte hart bei der Erinnerung. »Irgendein Anwohner muss die Polizei gerufen haben. Die scheiß Glatzen sind abgehauen, und niemand hat sich getraut, eine Aussage zu machen. Da wusste ich, dass ich selbst etwas tun muss. Ich hab mein Studium geschmissen und mich für den Polizeidienst beworben. Ich will diesen Typen zeigen, dass ich mich nicht einschüchtern lasse. Ich wehre mich gegen diesen Rassenhass. Ich will dafür sorgen, dass die Menschen keine Angst haben müssen, wenn sie auf die Straße gehen. Egal, ob sie Mann, Frau, Kind, Deutscher oder Grieche oder Ghanaer sind.«
    »Ganz schön idealistische Ziele«, stellte Brander fest.
    Peppi nickte. »Und dann ertappe ich mich dabei, dass ich meine eigenen Hassgefühle gegen diese faschistischen Schweine nicht im Griff habe. Das ist nicht einfach mit einem ›Ach das‹ getan. Daran muss ich arbeiten. Du hattest schon recht damit, mich heute Vormittag so zurechtzuweisen.«
    Brander warf der Kollegin einen anerkennenden Blick zu. Er wusste, dass ihm eine so offene Selbstkritik schwergefallen wäre, selbst vor Peppi.
    »Manchmal hilft Hass, die eigene Angst zu verdrängen.«
    »Ich will meine Ängste aber nicht verdrängen. Ich will sie besiegen. Und dafür braucht man keinen Hass, sondern Mut und innere Stärke.«
    »Ist das eine griechische Weisheit?«
    »Nein, das hat mir der Kollege gesagt, der mir damals geholfen hat, als ich an diesem Fall in Göppingen gearbeitet habe. Ich hab dir mal davon erzählt, der Aussteiger aus der Naziszene, den sie aufgehängt haben. Ich wollte damals alles hinschmeißen, weil ich mich so ohnmächtig gefühlt habe.«
    Brander erinnerte sich. »Du bist eine starke und mutige Frau.«
    »Das wollte ich jetzt hören.« Peppi verzog das Gesicht zu einem schiefen Grinsen. »Und du? Warum bist du Polizist geworden?«
    »Ich weiß nicht mehr so genau. Ich wollte zur Kripo, so lange ich denken kann. Ich hab als Kind jeden Krimi im Fernsehen gesehen. Erst die Kinderkrimis ›Fünf Freunde‹ und so was, und später ›Der Alte‹, ›Derrick‹, ›Tatort‹. Was es halt so gab. Es hat mich fasziniert, wie die Ermittler die Puzzlestücke zusammengetüftelt haben, und hinterher ergab es ein Bild und der Täter war gefasst. Die Gerechtigkeit hatte über das Böse gesiegt.«
    »Nicht ganz wie im richtigen Leben.«
    »Nein, nicht ganz.«
    Peppi stand auf. »In einer halben Stunde ist Soko-Sitzung, und ich könnte mir vorstellen, dass Picasso seine Skizzen vorher noch ein wenig sortieren möchte.«
    Auch Brander erhob sich. »Ja, zurück an die Arbeit.«
    Brander hatte Magnus Neidhart bei der Kriminalinspektion 4 zur Verstärkung angefragt, und auch Hendrik Marquardt nahm an der Soko-Sitzung teil, um trotz der Arbeit an der Vermisstenmeldung weiterhin über den aktuellen Stand der Mordermittlungen informiert zu sein.
    »Da sen Breedle ond Niss.« Neidhart stellte eine Schale mit Weihnachtsplätzchen und Walnüssen auf den Tisch. Er nahm sich selbst eine Handvoll Plätzchen aus der Schale und lud die Kollegen mit einer Handbewegung ein, sich zu bedienen.
    Peppi griff zu und schloss verzückt die Augen. »Hmm! Sind die selbst gebacken?«
    »Ha jo, mei Frau backt grad wie narret.«
    »Großes Kompliment! Sehr lecker.« Peppi nahm sich noch zwei Plätzchen, und auch die anderen Kollegen griffen erfreut zu.
    »Wenn dann alle versorgt sind, würde ich gern mit euch den Fall Vockerodt besprechen«, lenkte Brander die Aufmerksamkeit auf sich. »Wir fangen noch mal in der Dienstagnacht an, in der der Mann gefunden wurde.«
    Vereinzelt wurde gestöhnt, anscheinend hatten einige Kollegen auf eine kurze Sitzung gehofft, damit sie wenigstens den Freitagabend mit ihren Familien verbringen konnten. Das bevorstehende Wochenende würden sie durcharbeiten müssen.
    »Kurz vor Mitternacht hört eine Anwohnerin – Ebru Iscan – ein lautes Gespräch auf der Straße. Sie vermutet einen Streit. Wenige Augenblicke später verstummt das Gespräch. Sie geht zum Fenster und sieht Nael Vockerodt auf der Straße liegen. Sie sieht keine weitere Person, sagt aber, sie

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