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Eisblume

Eisblume

Titel: Eisblume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sybille Baecker
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rauchten verstohlen eine Zigarette. Die nackte Brunnennymphe kniete etwas versteckt am Mühlbach, einem Zufluss des Anlagensees, auf einem Sockel. Die Skulptur aus weißem Marmor trug noch einen dünnen Pelz aus Schnee. Ihre Kolleginnen aus der Danneckerschen Nymphengruppe waren schon wieder vom Schnee befreit und rekelten sich unter grauem Himmel auf der Nordseite des Sees.
    »Was für ein Glück, dass wir Winter haben«, murmelte Hendrik vor sich hin.
    »Was? Warum das denn?«
    »Na ja, im Sommer säßen hier jetzt zig Sonnenhungrige oder es liefe irgendeine Veranstaltung. So ist’s ein bisschen übersichtlicher.«
    Da hatte Hendrik recht. Im Sommer fanden in der Parkanlage einige Open-Air-Veranstaltungen statt, und während der zehntägigen Sommerinsel war die ganze Anlage mit Pagodenzelten und Bierbänken besetzt und lockte mit zahlreichen kulinarischen Genüssen.
    »Och, ein bisschen Musik wäre jetzt doch gar nicht schlecht«, wandte Brander ein.
    »Bis zum RACT !festival musst du dich aber noch ein bisschen gedulden.« Hendrik wusste, dass Brander lieber Rockmusik als klassische Konzerte hörte.
    »Die wurden doch ausquartiert«, erinnerte sich Brander.
    »Ja, zur Fußball- WM . Aber die ist ja zum Glück nur alle vier Jahre.«
    Das von Jugendlichen organisierte politische Festival hatte zur Fußballweltmeisterschaft in Südafrika ganz ausfallen sollen, um dem in Mode gekommenen Public Viewing Platz zu machen, das die Gewerbetreibenden am Anlagensee veranstalten wollten. Brander erinnerte sich an die zahlreichen empörten Leserbriefe im Tagblatt.
    »Der Schiebeparkplatz ist auf jeden Fall keine wirklich gute Alternative für das Festival«, fand Brander.
    »Tja, aber wie es halt immer so ist: Wirtschaftliche Interessen wiegen schwerer als jugendliches Engagement … hey!« Hendrik stieß Brander gegen den Arm. »Da vorne, das ist er doch!« Er deutete auf einen Mann, der nicht weit entfernt mit ein paar Leuten an der niedrigen Begrenzungsmauer des Sees stand. Im gleichen Moment sah Radeke zu ihnen, starrte sie für einen Augenblick an und stürmte dann Richtung Unterführung davon.
    »Was hat der denn?« Hendrik spurtete los. Brander hinterher.
    In der Unterführung bekam Hendrik Radeke zu fassen, verlor das Gleichgewicht und stürzte mit dem Mann zu Boden. Brander packte Radeke am Arm und zog ihn auf die Beine. Hendrik klopfte sich fluchend Dreck und Schneematsch von den Klamotten.
    »Was sollte denn die Nummer?«, fragte Brander wütend.
    »Ey, ich hab nix gemacht, wa!«
    Wie hatte er es vermisst! »Und deswegen gibst du gleich Fersengeld, wenn du uns siehst? Du kommst jetzt mal mit uns ins Trockene.«
    »Ey, was soll das? Ich bin unschuldig, wa. Ich hab nix gemacht!« Radeke versuchte, sich aus Branders Griff zu befreien. »Ey, pack mich nich an, ey!« Eine Hand zuckte Richtung Jackentasche.
    Brander drehte Radeke blitzschnell den Arm auf den Rücken, drückte ihn gegen die vollgekritzelten Kacheln. »So, nicht Freund! Hände an die Wand.«
    Er tastete Radeke ab, durchsuchte seine Taschen. »Da schau her.« Brander brachte ein kleines Tütchen mit bunten Tabletten zum Vorschein. »Sollte eine nette Party werden, was?«
    »Ey, was soll der Scheiß? Das ist nix. Das sind Kopfschmerztabletten, wa.«
    »Ach, Migräne hat er auch.« Aus der anderen Jackentasche zog Brander ein Klappmesser. Ein kurzer Blitz zuckte ihm durch den Nacken. Er wollte nicht darüber nachdenken, wie die Situation hätte eskalieren können, wenn seine Reaktion langsamer gewesen wäre.
    Hendrik fixierte Radekes Hände mit einer Handschließung auf dem Rücken. »Ich kenn hier vorne ein nettes Hotel.« Er zog Radeke von der Wand weg.
    »Ey, was wollt ihr von mir? Ich hab nix gemacht, wa! Ich bin unschuldig!«
    »Klar, du wolltest die Hand in die Jacke stecken, weil dir kalt war«, schnaufte Hendrik verächtlich.
    »Korrekt, wa.«
    »Herr Radeke, Sie sind vorläufig festgenommen. Verstoß gegen das Betäubungsmittelgesetz, Tätlichkeit gegen einen Beamten …«, begann Brander, dem Mann zu erklären.
    »Ey, spinnt ihr jetzt total? Was hab ich denn gemacht, Mann?«
    Brander diktierte ihm seine Rechte. Sie führten Radeke durch die Unterführung zur Station der Bundespolizei. Die Kollegen stellten ihnen ein Zimmer für die Vernehmung zur Verfügung.
    Radeke saß Brander mit störrischem Blick gegenüber. Hendrik hatte sich zwei Schritte hinter Brander an der Wand postiert. Ein Aufnahmegerät lag auf dem Tisch. Wie bei ihrem letzten

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