Eisblume
nachdenklich abwechselnd über den Nacken rieb und durch die dunkelblonden kurzen Haare strich.
»Kann ich Sie kurz unter vier Augen sprechen?«, fragte er schließlich.
Brander runzelte die Stirn. »Sicher, gehen wir in mein Büro.«
»Ja, geht nur und führt ein nettes Männergespräch. Ich trink hier derweil noch drei Tassen Kaffee«, murrte Peppi, der es offensichtlich nicht gefiel, dass Schmid sie von diesem Gespräch ausschloss.
Schmid schloss die Tür und setzte sich Brander gegenüber. Er zupfte an den Kniefalten seiner Hose und ordnete sein gut sitzendes graues Jackett, bevor er langsam zu sprechen begann.
»Ich kann Ihren Gedankengang nachvollziehen, Herr Brander.« Er schien sich jedes Wort mit Bedacht zurechtzulegen. »Ich kann auch verstehen, dass Sie zehn Tage nach der Tat gerne einen Erfolg verbuchen würden.«
Brander lehnte sich zurück und verschränkte die Arme vor seiner Brust. Worauf wollte der Staatsanwalt hinaus? Einen Erfolg verbuchen? Das hier war kein Wettkampf. Er suchte einen Mann, der einen anderen – wenn vielleicht auch nicht vorsätzlich – getötet hatte!
»Natürlich könnte es so sein, wie Sie sich die Handlungskette zurechtgelegt haben. Radeke und Poljakow sind abends unterwegs, vielleicht brauchen sie Geld für Drogen, vielleicht sind sie einfach nur auf Ärger aus, und es kommt zu der unglücklichen Begegnung mit Nael Vockerodt, die schließlich zu dem Totschlag führte. Absicht oder nicht sei dahingestellt. Vielleicht kannten sich Täter und Opfer sogar?«
Wie vorsichtig sich der gute Mann doch ausdrücken kann, dachte Brander und ahnte Schlimmes.
»Aber …«
Aha, kam der Herr Staatsanwalt endlich zur Sache!
»… wir sprechen hier von Indizien, von Vermutungen, ja, von simplen gedanklichen Konstruktionen. Haben Sie irgendeinen Beweis für Ihre Vermutung? Irgendeinen klitzekleinen, handfesten Anhaltspunkt, der Ihre Theorie unterstützt?«
»Nun ja …« Nein, hatte er nicht. Nicht den Hauch eines Beweises, eines Zusammenhangs. Der Erkennungsdienst hatte keine brauchbaren Beweise gefunden. Es gab keine Augenzeugen. Er hatte nichts, außer seiner jahrelangen beruflichen Erfahrung und seiner Intuition. »Die Aussage von Nathalie Böhme könnte …«
Schmid schüttelte den Kopf. »Herr Brander, wer glaubt einer vierzehnjährigen Ausreißerin? Einem Mädchen, das sich herumtreibt, sich ins Koma trinkt, sich prügelt, die Schule schwänzt, bereits einmal von der Schule verwiesen wurde. Wird sie überhaupt bei ihrer Aussage bleiben, wenn sie damit ihren Freund ins Gefängnis bringt?« Schmid sah ihn entschlossen an. »Muss ich weitermachen?«
»Nein.« Dunkle Gewitterwolken zogen in Branders Kopf auf. Das war kein Schneesturm, das war ein vernichtender Blizzard, der auf ihn zukam. Jetzt wusste er, worauf der Staatsanwalt aus war.
»Verstehen Sie mich nicht falsch, Herr Brander.«
Was sollte dieses ewige »Herr Brander«? Hatte er das in einem Kommunikationsseminar gelernt?
»Ich denke, ich habe Sie sehr gut verstanden«, knurrte Brander.
»Nein, das glaube ich nicht. Ich kann Ihrer Theorie folgen. Ich kann ihr sogar einiges abgewinnen. Mein Problem ist, dass wir damit vor Gericht nicht durchkommen werden. Man wird uns einen Verfahrensfehler vorwerfen, weil wir die beiden Männer nicht sofort bei der ersten Vernehmung von unserem Tatverdacht informiert und sie belehrt haben. Und kommen Sie mir nicht mit ›Es war nur eine Zeugenbefragung!‹ Ihre Vorgehensweise … Ich muss Ihnen nicht erklären, was Beweisverwertungsverbot bedeutet, oder?« Schmid sah Brander ernst an.
Nein, das musste der Staatsanwalt ihm nicht erklären. Wenn Poljakow oder Radeke während der Vernehmung eine Aussage machten, mit der sie sich belasteten, ohne zuvor belehrt worden zu sein, dass ein Verdacht gegen sie bestand, durfte diese Aussage vor Gericht nicht als Beweis verwendet werden.
»Ich war gerade auf dem Weg, die beiden darüber zu informieren, dass wir sie nicht mehr als mögliche Zeugen, sondern als Beschuldigte im Fall Vockerodt vernehmen würden«, räumte Brander ein.
Wieder schüttelte Schmid den Kopf. »Selbst wenn Sie ein Geständnis bekommen sollten, Sie wissen doch, wie das läuft. Das Geständnis wird widerrufen, und dann wird der Rechtsbeistand zunächst Ihnen und dann mir die Hölle heißmachen. Schlussendlich besteht die große Gefahr, dass das Verfahren aus Mangel an Beweisen eingestellt wird. Ein Indizienprozess …« Schmid ließ den Satz unvollendet im Raum und
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