Eisblume
käme sie direkt aus dem Bett.
»Ja?«
Auch dieses Mal schlug den Kommissaren eine Alkoholfahne entgegen.
»Frau Böhme, Sie wissen, dass wir Ihre Tochter gefunden haben?«
Sie nickte.
»Waren Sie schon bei ihr?«
Die Frau stieß ein heiseres Lachen aus. »Wie soll ich das denn machen? Ich hab kein Auto. Ich kann nicht mal eben schnell nach Stuttgart fahren. Sie ist da doch gut aufgehoben.«
Brander hatte Mühe, die nuschelige Aussprache zu verstehen.
»Dürften wir bitte kurz hereinkommen?«, bat Peppi.
»Ist nicht aufgeräumt.«
»Bitte.« Peppi drückte die Tür ein Stück weit auf, und Frau Böhme ließ sie gewähren.
Brander hielt kurz den Atem an. Die Wohnung sah schlimmer aus als bei seinem letzten Besuch.
Peppi sah zu ihrem Kollegen und ging in die Wohnung. »Sie sollten lüften und mal das Altglas entsorgen!«, schimpfte sie.
»Wir haben gestern ein bisschen gefeiert. Meine Tochter ist wieder da.« Ein feindseliger Blick traf die Kommissarin.
»Die Sie ja so schmerzlich vermisst haben.« Auch Peppi schien nicht auf eine Freundschaft aus zu sein.
»Das muss ich mir nicht gefallen lassen!«, protestierte Gudrun Böhme. Sie stützte sich mit einer Hand an der Wand ab, als sei ihr schwindelig.
»Oh doch, Sie müssen sich noch eine Menge mehr gefallen lassen«, erklärte Brander. Er ging an der Frau vorbei zu Nathalies Zimmer. Die Tür stand halb offen, ein paar Flaschen hatten es auch in ihr Zimmer geschafft. Das Poster an der Wand war zerrissen. »Frau Böhme, wir werden das Jugendamt informieren. Sie haben eine Aufsichts- und Fürsorgepflicht gegenüber Ihrer Tochter.«
Die Tür am Ende des Flurs wurde geöffnet, ein Mann in Unterhose mit lichtem, zotteligen Haar trat heraus, kratzte sich ungeniert zwischen den Beinen. Anscheinend hatte der stämmige Mann gemeinsam mit seiner Lebensgefährtin das Auffinden von Nathalie gefeiert. Er war etwas größer als Brander, schob einen Bierbauch über seiner Unterhose vor sich her und donnerte jetzt wütend durch den Flur: »Was ‘n hier für ‘n Lärm, verdammt noch mal?«
»Die Polizei is hier. Die wollen uns das Jugendamt auf den Hals schicken«, keifte Nathalies Mutter aufgebracht.
»Was soll der Scheiß?« Der Mann schien erst jetzt die Fremden in der Wohnung wahrzunehmen. »Das Blag braucht mal richtig eins hinter die Ohren, dann spurt die schon wieder. Die soll mir mal nach Hause kommen.«
»Du lässt die Finger von ihr!«, richtete sich Frau Böhme jetzt aufgeregt gegen ihren Lebensgefährten. Anscheinend gab es doch einen Funken Mutterinstinkt in dieser Frau. »Sie ist meine Tochter.«
»Ein verzogenes Flittchen ist sie! Hurt in der ganzen Nachbarschaft rum. Nix als Ärger haben wir mit der. Dauert nicht lange, dann ist die sowieso weg. Die landet auf’m Strich. Beine breitmachen, was anderes kann die doch nicht.«
»Walter!«
»Schluss jetzt!«, unterbrach Brander energisch den Streit. »Herr …« Er suchte in seinem Gedächtnis den Namen des Lebensgefährten.
»Danner.« Der Mann sah ihn verärgert an. »Ist immer noch meine Wohnung, ja?«
»Herr Danner, wir möchten jetzt gern ungestört mit Frau Böhme sprechen. Und Sie ziehen sich vielleicht mal etwas an.«
»Ich lass mir doch nix vorschreiben! Das ist meine Wohnung!«
»Frau Böhme, können wir bitte in Nathalies Zimmer gehen?« Brander deutete mit der Hand auf das Zimmer. Peppi schob Nathalies Mutter vor sich hinein. Bevor Brander der Kollegin folgte, wandte er sich noch einmal an Walter Danner. »Sie halten sich da jetzt raus. Und sollte mir zu Ohren kommen, dass Sie Nathalie geschlagen haben, bekommen Sie eine Anzeige wegen Kindesmisshandlung, schneller, als Sie bis drei zählen können.«
Gudrun Böhme saß auf dem Bett ihrer Tochter, und Brander fragte sich, was das für Tränen waren, die ihr über das Gesicht liefen. Peppi stand schweigend mit dem Rücken an den Schreibtisch gelehnt und sah stirnrunzelnd zu ihm herüber.
»Wer hat das Poster zerrissen?«, fragte Brander.
»Keine Ahnung. Ist irgendwie passiert«, nuschelte die Frau auf dem Bett.
»Wir fahren jetzt gleich nach Stuttgart und holen Ihre Tochter aus dem Krankenhaus ab. Wir nehmen sie zu einer Vernehmung mit zur Polizeidirektion. Möchten Sie mitkommen?«
»Was hat sie denn jetzt wieder angestellt?« Frau Böhme putzte sich geräuschvoll die Nase, schob das Taschentuch wieder in die Tasche ihrer Jogginghose zurück.
»Nichts. Wir benötigen lediglich eine Aussage von ihr. Wollen Sie mitkommen?«,
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