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Eisblume

Eisblume

Titel: Eisblume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sybille Baecker
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trotzig an. Dann nahm sie wortlos die Tüte und ging in den angrenzenden Waschraum.
    »Nettes Mädchen«, kommentierte Peppi die Szene, als sie allein waren.
    »Wie würdest du dich denn fühlen?«, entgegnete Brander gereizt.
    »Ich hab das nicht böse gemeint. Denkst du, mir tut das Mädchen nicht leid? Ich wollte die Atmosphäre ein wenig auflockern.« Sie lächelte aufmunternd.
    »Hm«, brummte Brander. Er zog eine leere Tüte aus seiner Jackentasche, stopfte Nathalies Stiefel dort hinein. »Gib das an die Techniker weiter, wenn wir nachher zurück sind. Freddy soll sich die mal angucken.«
    Peppi nahm die Tüte entgegen. Die Tür vom Waschraum öffnete sich. Nathalie kam heraus, sah die beiden Kommissare noch an ihrem Bett stehen und flitzte zur Zimmertür. Brander und Peppi spurteten hinterher, hörten lautes Klirren und einen erschreckten Schrei aus dem Flur. Als sie aus dem Zimmer kamen, rappelte Nathalie sich gerade wieder hoch. Eine Krankenschwester lag am Boden. Ein Strauß Blumen hatte sich zwischen den Scherben einer zerbrochenen Blumenvase verteilt. Brander bekam Nathalies Jacke zu fassen.
    »Was soll das denn?«, rief er aufgebracht.
    »Lass mich los, scheiß Bulle!«, schrie das Mädchen ihm entgegen. Sie versuchte, sich aus seinem Griff zu befreien. »Ich geh nicht zurück. Lass mich los!« Sie schlug mit der verstauchten Hand nach ihm, schrie auf vor Schmerz. »Verfickte Scheiße! Ich geh nicht zurück. Ich geh nicht zurück! Die blöde Fotze, die …« Mit aller Kraft wand sie sich unter seinem Griff. Brander hatte Mühe, Nathalie festzuhalten. »Lass mich los! Ich hasse dich! Ich hasse euch alle!«
    Türen öffneten sich, Eltern, die ihre Kinder besuchten, blieben im Flur stehen und betrachteten stumm das Schauspiel. Peppi half der Krankenschwester aufzustehen, schob mit den Füßen die Scherben zusammen.
    »Schluss jetzt! Du beruhigst dich jetzt mal wieder«, versuchte Brander, das Mädchen zu bändigen.
    »Ihr seid Schweine! Schweine! Schweine!« Sie begann zu weinen.
    Ein Arzt kam gefolgt von zwei Schwestern aus einem Krankenzimmer. »Geht’s ein bisschen leiser?«
    »Verpiss dich, du Sau!«, schrie Nathalie den Mann an, der erschrocken zu Brander sah.
    »Hör auf, Nathalie. Es ist genug«, redete Brander weiter besänftigend auf sie ein. Er lockerte seinen Griff und legte einen Arm um die Schultern des Mädchens. Ihr Kinn fiel auf die Brust, weinend schimpfte sie weiter vor sich hin. Nicht mehr so laut. Hilflos.
    »Wir gehen jetzt zurück ins Zimmer, ja? Komm.« Er zog sie mit sich.
    Nathalie setzte sich auf die Bettkante, wischte sich mit dem Handrücken über die Wangen. Mit verheultem Gesicht starrte sie auf den Boden. »Die ist doch froh, dass ich weg bin«, sagte sie leise, und die Verlorenheit in ihrer Stimme ließ Brander nur ahnen, wie einsam sich das Kind vor ihm fühlte. Er reichte ihr ein Taschentuch, stellte sich gegenüber dem Bett mit dem Rücken zum Fenster. Was sollte er ihr sagen? Sie wollte nicht nach Hause, sie wollte aber auch nicht in eine Wohngruppe. Warum nicht? War es nicht besser in einer Gruppe mit anderen Kindern zu leben, als allein in einer so lieblosen Umgebung, in der sie bisher aufgewachsen war? Vielleicht hat sie Angst, überlegte Brander. In einer Wohngruppe zu leben bedeutete, zunächst in einer fremden Umgebung mit fremden Menschen zusammen zu sein. Sie würde sich einfügen müssen in eine Gemeinschaft, in einen Tagesablauf. Aber im Gegenzug würde sich endlich einmal jemand um sie kümmern.
    Eine Weile stand er ihr grübelnd gegenüber. Sein Puls beruhigte sich wieder. Er sah auf seine Hände, mit denen er Nathalie sicherlich wehgetan hatte, als er sie festhielt. Blut klebte an der rechten Hand. Er untersuchte die Hand genauer. Da war keine Wunde.
    »Zeig mal deine Arme«, forderte er das Mädchen auf. Sie streckte sie ihm entgegen. Der Verband an ihrer verstauchten Hand war verrutscht, am anderen Arm hatte sie eine Schnittwunde. Vermutlich von den Scherben der Vase.
    »Ich hol mal eine Schwester«, erklärte er und ging zur Tür. Peppi stand wartend im Flur, sah ihm besorgt entgegen.
    »Hat sie sich beruhigt?«
    Brander nickte. »Sie hat eine Schnittwunde am Arm. Kannst du mal einer Schwester Bescheid geben?«
    »Ja.« Peppi blieb zögernd vor Brander stehen. »Andi, ich werde das Jugendamt informieren.«
    Er nickte wortlos.
    Nathalie hatte während der Fahrt kein Wort gesprochen. In der Polizeidirektion nahm Brander sie mit in sein Büro.
    »Möchtest

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