Eisblume
frag …«
»Nein, das geht nicht.« Und der hat vermutlich demnächst andere Probleme, aber damit wollte Brander Nathalie jetzt nicht konfrontieren. Früh genug würde er es ihr sagen müssen, und davor graute ihm schon jetzt.
Nathalie zog sich wieder in ihr Schweigen zurück, als Brander sich mit ihr auf den Weg zu ihrer Mutter machte. Still saß sie auf dem Beifahrersitz, die Tüte mit dem Plüschelefanten im Arm. Es fiel ihm schwer, das Mädchen in diese lieblose Umgebung zurückzubringen. Er fühlte sich verantwortlich für Nathalie, und er wollte nicht, dass sie wieder auf der Straße landete.
An der Blauen Brücke bog er in ihr Wohnviertel ab. Er erinnerte sich daran, wie er vor wenigen Tagen mit Peppi hier entlanggefahren war, um mit Drewitz zu sprechen. Zwischenzeitlich war viel geschehen.
Er fand keinen Parkplatz vor dem Wohnblock, in dem Nathalie wohnte, fuhr weiter, bog in die Bismarckstraße. Schließlich parkte er in einer Parkbucht auf der Neckarseite. Es war ein Kontrast, der ihm erst jetzt bewusst wurde. Auf der einen Seite die kleinen, renovierten Häuschen mit Blick auf den Fluss, direkt dahinter in der Parallelstraße die alten Eisenbahnerhäuser mit Blick auf den ehemaligen Güterbahnhof. Sie stiegen aus und liefen schweigend den Weg zurück. Beim Neckarstauwehr ging Nathalie zu den Bänken, stellte sich an das Gitter und starrte auf den Fluss.
Brander stellte sich neben sie. Ein kalter, feuchter Wind wehte ihnen um die Ohren. Brander schob Nathalie die Kapuze ihrer Jacke über den Kopf und stellte seinen Kragen hoch. Es war ungemütlich. Der Schnee war größtenteils geschmolzen, dennoch waren die Temperaturen nur knapp über Null, und die Luft fühlte sich eisig an.
»Manchmal träume ich davon, wie es wäre, auf der anderen Seite zu wohnen. In einer der schicken Villen da oben. Oder so ein Häuschen am Fluss. In einer sauberen Wohnung und mit richtigen Eltern.«
Brander sah über den Neckar. Irgendwo auf der gegenüberliegenden Seite war die Praxis, in der Cecilia als Therapeutin arbeitete. Er stellte sich vor, wie sie am Fenster stand und jetzt gerade zu ihnen herübersah, und für einen winzigen Augenblick gab er sich der Sehnsucht hin, selbst eine Tochter zu haben. Wenn es damals nach der Hochzeit so geklappt hätte, wie sie es sich erträumt hatten, wäre ihr Kind jetzt auch dreizehn oder vierzehn Jahre alt. Er stellte sich vor, wie er mit seiner Tochter Cecilia von der Arbeit abholte, wie sie gemeinsam zu Hause am Tisch saßen und Abendbrot aßen und hinterher irgendein Spiel spielten und sich erzählten, was sie den ganzen Tag über getrieben hatten. Während draußen die Kälte durch die Straßen zog, säßen sie in ihrem warmen, gemütlichen Haus.
»Du sagst ja gar nichts«, holte Nathalie ihn aus seinen Gedanken zurück. Sie hatte sich ihm zugewandt, sah ihn in der Dunkelheit fragend an.
»Entschuldige.« Er zog seine Brieftasche aus der Jacke, entnahm ihr eine Visitenkarte, suchte in seinen Taschen nach einem Kuli und notierte eine Nummer auf der Rückseite. Er reichte Nathalie die Karte. »Wenn irgendetwas ist, ruf mich an, okay? Hau nicht einfach wieder ab.« Er wusste, dass er unprofessionell handelte. Er sollte Distanz wahren und ließ sich stattdessen von seiner eigenen Empfindsamkeit treiben. Gab es einen Weg, zu verhindern, dass Nathalie wieder auf der Straße landete?
Zögernd nahm sie die Karte entgegen. »Meinst du das ernst?«
»Sonst würde ich es nicht sagen.«
»Danke.« Sie las die Telefonnummer, steckte die Karte in ihre Hosentasche und sah ihn wieder an. »Ich glaub, ich muss jetzt mal checken, was die Alten machen.«
Peppi war noch in der Dienststelle, als Brander zurückkehrte. Er fand sie mit Staatsanwalt Schmid in der Kaffee-Ecke.
»Guten Abend«, grüßte er den Juristen und sah verwundert zu Peppi. »Was machst du noch hier?«
»Ich denke, wir haben heute noch was vor?«
»Und ich denke, du bist verabredet. Ich hab extra Jens gebeten, länger zu bleiben.«
»Ich werde die Verabredung verschieben. Vielleicht lädt er mich morgen Mittag ja zum Brunch ein.«
Schmid lächelte die Kommissarin amüsiert an.
»Was gibt es da zu grinsen? Ich bin eine attraktive Frau, da wird der Herr ja wohl mal einen Abend lang warten können.«
»Ganz ohne Frage«, entgegnete Schmid unbeeindruckt von Peppis Direktheit. »Ich hoffe, Ihnen kommt morgen nichts Dienstliches dazwischen.«
Peppi sah den Staatsanwalt schräg von der Seite an, schürzte die Lippen. Mit
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