Eisblume
aber eher wie ein gehetztes Tier.
»Wir werden Ihre Schuhe nach Blutspuren vom Opfer untersuchen.«
Radeke schüttelte ungläubig den Kopf.
Brander verlas ihm seine Rechte. »Sie können es uns und sich selbst leicht machen, und uns sagen, wo wir Ihre Schuhe finden, ansonsten …«
»Ey, ich sag gar nichts, wa. Ich hab den Neger nicht umgetreten!«
Eine Sekunde lang herrschte Totenstille im Raum. Brander fixierte Radeke mit den Augen. »Woher wissen Sie, dass das Opfer getreten wurde?«
Er war sich sicher, dass sie diese Information nicht an die Öffentlichkeit gegeben hatten. Natürlich wurde viel geredet und spekuliert. Radeke konnte diese Information sonst woher haben. Aber der Ausdruck auf seinem Gesicht verriet dem Kommissar, dass der Mann sein Wissen nicht vom Hörensagen hatte.
»Ich sag nichts mehr, wa. Ich sag nichts mehr.« Radeke zog nervös an der Zigarette, trat von einem Bein auf das andere.
»Herr Radeke, wo waren Sie in der besagten Nacht?«
»Ey, zu Hause, wa. Hab ich doch schon tausendmal gesagt.«
»Nein, Sie waren nicht zu Hause. Dafür haben wir Zeugen.«
»Was’n für Zeugen?«
»Herr Radeke, warum haben Sie uns angelogen? Wo waren Sie in der besagten Nacht?«
»Keine Ahnung. Vielleicht war ich ja tatsächlich unterwegs, wa. Is schon lange her, wa.«
»Und Sie waren allein unterwegs?«
»Ich weiß es nicht!«, schrie Radeke los. Sein Brustkorb bewegte sich in schnellen, flachen Bewegungen auf und ab, auf der Stirn bildeten sich kleine Schweißtropfen.
»Es gibt einen Zeugen, der zwei Männer in der Nähe des Tatorts gesehen hat, dessen Beschreibung auf Sie und Ihren Freund Poljakow passen könnte.« So konkret war die Aussage zwar nicht gewesen, aber Radeke zuckte dennoch zusammen.
»Sie haben sich also mit Poljakow getroffen«, fuhr Brander energisch fort. »Was haben Sie gemacht?«
»Nichts, wir sind um die Häuser gezogen.«
»Ach, jetzt können Sie sich doch wieder erinnern?«, fragte Peppi mit gespieltem Erstaunen.
»Sie sind um die Häuser gezogen, und in der Eugenstraße begegnet Ihnen dann ein junger Südafrikaner. Haben Sie ihn angesprochen?«
»Nein.«
»Sie haben ihn gleich zusammengeschlagen?«
»Nein! Verdammt, so war das doch gar nicht!«
Die Kommissare tauschten einen Blick miteinander. »Wie war es denn?«, fragte Brander etwas ruhiger.
Radeke sank auf eine Matratze, verschränkte die Arme über dem Kopf, als erwarte er Prügel. »Ich hab das doch gar nicht gewollt! Ey, verdammt. Ich hab das doch gar nicht gewollt!« Er begann am ganzen Körper zu zittern, krümmte sich zusammen, rang nach Luft. »Ich war das nicht. Ich wollt den doch nicht umbringen! Kacke, ey, verdammte Scheiße. Ich hab das doch nicht gewollt!«
Sie nahmen Radeke mit. Er würde am nächsten Tag dem Haftrichter vorgeführt werden. Zwei Paar Stiefel und ein Paar Turnschuhe landeten auf den Arbeitstischen des Erkennungsdienstes. Radeke beteuerte ununterbrochen, dass es ein Unfall gewesen wäre. Er hatte den Mann nicht töten wollen. Er war an dem Dienstagabend schlecht gelaunt gewesen. Als er bei McDonald’s essen wollte, hatte er Poljakow getroffen, dem er noch Geld schuldete. Sie hätten sich gemeinsam auf den Weg zu Radekes Wohnung gemacht. Unterwegs sei ihnen der Afrikaner begegnet. Poljakow hätte Vockerodt angesprochen und Geld von ihm verlangt. Vockerodt hätte nur gelacht und in einer Sprache geantwortet, die sie nicht verstanden. Daraufhin schlug Poljakow ihm ins Gesicht. Vockerodt wich aus, wollte an ihnen vorbeigehen, und da hatte Patrick Radeke zugetreten. Als das Opfer am Boden lag, trat er dem schwer verletzten Mann in die Seite, er dachte nicht darüber nach, was er tat. Er war einfach wütend. Auf den Mann, der ihn ausgelacht hatte. Auf Poljakow, der wollte, dass Radeke seine Schulden bezahlte. Auf die ganze Welt, die ihm nie eine Chance gegeben hatte. Auch Poljakow hätte zugetreten. Als sie erkannten, dass der Mann sich nicht mehr regte, waren sie davon gerannt, zu Radekes Wohnung. Im Treppenhaus stießen sie auf Nathalie, die völlig hysterisch gewesen wäre, und als der Nachbar auch noch mit der Polizei drohte, war Poljakow in Panik geraten und hatte angefangen, auf Nathalie einzuprügeln.
»Ich wollt nicht, dass der die schlägt. Ich hab die Eisblume echt gern, wa«, hatte Radeke zu Brander gesagt. »Aber die ist doch selbst total durchgeknallt.«
Brander war sich nicht sicher, ob es das schlechte Gewissen war, das aus Radeke sprach, oder ob er wirklich Gefühle
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