Eisblumen - Ein Altmarkkrimi (Judith Brunners zweiter Fall) (German Edition)
arbeiten, und lassen Sie notfalls die Männer alle herbringen. Das hat absoluten Vorrang.«
In diesem Moment kam Frau Wall aus der Meldestelle. Sie hatte eine Kopie in der Hand. »Hier, Frau Hauptkommissarin, Sie wollten es doch gleich haben. Er ist ein Knastbruder, wie er im Buche steht.« Sie reichte Judith das Blatt – »Alle paar Jahre im Bau, und so alt isser noch jar nich« – und ging wieder an ihre Arbeit.
»Wohnt in Wiepke, Feldweg 9«, las Judith Brunner laut vor und sah zu Dr. Grede, der den Telefonhörer schon in der Hand hielt.
»Hallo? Guten Morgen. Hier ist Dr. Grede von der Polizei in Gardelegen. Ich muss Ihren Chef sprechen. Was? Ja gleich, es ist wirklich wichtig.« Er wandte sich in den Raum: »Die Frau aus dem Büro geht ihn holen. Er ist wohl gerade raus auf den Bauhof.«
Alle warteten gespannt. Es dauerte eine ganze Weile, bis Grede wieder sprach und sich erneut vorstellte. Dann fuhr er fort: »Wir müssten im Rahmen von Ermittlungen mit Ihren Männern reden. Ja, als Zeugen. Sie könnten etwas gesehen haben, was wichtig ist. Ja, mit allen. Wo arbeiten die denn heute? Was, alle noch auf dem Hof? Prima, bitte warten Sie dort auf uns. Wir sind in spätestens einer halben Stunde da. Ach, und bitte sagen Sie Ihren Leuten nichts davon. Warum nicht? Das erkläre ich Ihnen später. Danke, bis gleich.«
»Wir haben Glück«, erklärte Dr. Grede, »die Leute bereiten heute eine neue Baustelle vor und sind alle noch auf dem Hof, suchen das Material zusammen, beladen ihren Lkw und so weiter.«
Judith Brunner entließ die große Runde. »Ich rufe Sie später wieder zusammen. Das geht jetzt vor. Lisa, lassen Sie bitte den Wagen bereitstellen und ein Streifenwagen soll schon mal nach Wiepke vorfahren und anfangen, die Personalien aufzunehmen. Die sollen aufpassen, dass keiner von dort abhaut. Herr Ritter, ich fürchte, Sie müssen sich auch heute für auswärtige Spurensicherungen bereithalten. Mit Ihnen, Dr. Grede, würde ich gern noch kurz reden.«
Judith Brunner und ihr Stellvertreter setzten sich an eine Ecke des Tisches und überdachten die Neuigkeiten. »Endlich ein Zusammenhang. Wiepke sowieso und der dritte Mann«, sprach sie als Erste ihre Gedanken aus. »Wenn auch nur hauchdünn, doch jetzt haben wir eine erste Verbindung von der Sache mit den Büchern zu den Morden.«
»Wurde auch langsam Zeit«, warf Grede ein, »ich habe die ganze Nacht gegrübelt, was wir übersehen haben könnten.«
»Mir gefällt bloß nicht« – mitten im Satz stand Judith Brunner auf und griff zum Telefon. Ungeduldig wartete sie und seufzte hörbar auf. »Guten Morgen, Herr Dreyer. Ich muss Sie bitten, rasch zu den Bauers zu gehen und nachzusehen, ob alles in Ordnung ist.«
»Du klingst aber ernst. Stimmt was nicht? Die werden doch bestens beschützt?«
»Ja. Wahrscheinlich ist der dritte Beteiligte noch ein Halbbruder von Dampmann und hat das Häuschen der Bauers mit ausgebaut, sich also einige Zeit in Waldau an der Gärtnerei aufgehalten.«
»Judith, du willst sagen, dass ein Verdächtiger für die Morde sich bei den Bauers und hier im Dorf gut auskennt?! Oder dass er sogar die Bauers kennt? Verdammt! Das sind ja Neuigkeiten!« Walter Dreyer war beunruhigt.
»Ja, ich weiß. Er könnte die Kinder kennen. Wir haben eben erst den Zusammenhang entdeckt.«
»Ich mach mich gleich auf den Weg. Hoffentlich ist noch nichts passiert. Habt ihr einen Namen?«
»Berthold Lemke, er wohnt in Wiepke.«
»Arbeitet der bei Vinzent Böhme?«
»Genau, bei der Firma arbeitet er. Kennen Sie ihn etwa, Herr Dreyer?«
»Nein, den Mann nicht. Ist nur die einzige Baufirma dort. Ein kleiner Laden«, antwortete Walter.
»Geben Sie über Funk Bescheid, wie es bei den Bauers steht. Wir fahren jetzt nach Wiepke. Ich melde mich später.«
Judith Brunner legte auf und wandte sich wieder um. »Entschuldigen Sie bitte, aber mir war eingefallen, dass Fritzi Bauer und seine Schwester möglicherweise in akuter Gefahr sind.«
»Das dachte ich mir schon. Sie könnten recht haben«, stimmte Dr. Grede ihr zu. Während Judiths Telefonat hatte Dr. Grede die Kopie der Meldekarte zur Hand genommen.
»Was meinen Sie dazu?«, fragte sie interessiert.
»Der Typ hat ausreichend Knasterfahrung, kennt sich in Wiepke und in Waldau wahrscheinlich bestens aus und ist der Halbbruder von zwei anderen Ganoven, von denen einer ermordet wurde. Ich denke, er ist an die Spitze unserer ja nicht gerade langen Liste von Verdächtigen vorgerückt«, fasste Dr.
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