Eisblumen - Ein Altmarkkrimi (Judith Brunners zweiter Fall) (German Edition)
der war inzwischen gebrochen und bildete schmutzige Schollen. Schließlich war auf die Fahr- und Rangierwege noch eine Asphaltdecke aufgebracht worden, die ihre beste Zeit auch schon hinter sich hatte.
Judith Brunner hoffte für die Bewohner des Wohnhauses an der schmalen Hofseite, dass die Aussicht, die ihr Zuhause nach hinten bot, wesentlich erfreulicher war.
Aus einem der Bauwagen waren Stimmen zu hören.
Dr. Grede klopfte an.
Ein Kollege vom Streifenwagen öffnete. »Ach, da sind Sie ja. Wir sind hier gleich fertig. Der Chef wartet drüben im Büro.«
Judith Brunner bat Dr. Grede, zu den Männern in den Bauwagen zu steigen, und ging selbst zur Bürobaracke.
Dort wurde sie schon erwartet.
In der Tür stand ein junger Mann. Seine Korpulenz schien kräftig und nicht fett, obwohl die Kluft, in der er wohl zum Schutz gegen die Kälte steckte, ihn äußerst unvorteilhaft kleidete: Der offene Kragen eines dicken, karierten Hemdes ließ ein schmutziges Unterhemd sichtbar werden. Ein alter Strickpullover, darüber eine blaue, gesteppte Wattejacke sollte wohl die Kälte abhalten. Völlig ausgebeulte schwarze Arbeitshosen schlotterten, mehrere Zentimeter zu kurz, über sehr robusten Arbeitsschuhen. Die Farbe der sichtbaren groben Strümpfe war betongrau. Auf seinem Bauhof schien dem Firmeninhaber ein gewinnendes Äußeres offenbar entbehrlich.
»Herr Böhme?«, begrüßte ihn Judith Brunner und stellte sich vor.
»Böhme, aber nicht der da«, wies der Mann auf das Firmenschild neben der Tür hin. »Ist mein Großvater gewesen.«
Ein Familienbetrieb also. »Für diesen Jahrgang hätte ich Sie auch nicht gehalten«, gab Judith zurück. »Und wie heißen Sie?«
»Heinz. Heinz Böhme bin ich. Was ist denn nun los?«
»Wollen wir nicht reingehen?« Judith Brunner fröstelte.
»Na, kommen Sie, setzten wir uns ins Kundenbüro«, ging der Mann voraus und öffnete gleich die erste Tür. Es war bitterkalt in dem spärlich mit einem runden Tisch, vier Stühlen sowie einem zweitürigen Kleiderschrank möblierten Raum.
Judith Brunner schlug vor: »Es ist sicher besser, wir gehen in Ihr Büro, Herr Böhme. Ich benötige einige Auskünfte über Ihre Baustellen und Ihre Mitarbeiter, und dort haben Sie die Unterlagen bestimmt gleich zur Hand.«
Das leuchtete Heinz Böhme ein. Er nahm sie mit in einen völlig verkramten Verschlag auf der anderen Seite des Ganges.
»Hier liegen die ganzen Papiere«, wies er auf drei volle Regale hin. Immerhin liefen einige Rohrleitungen durch den Raum und spendeten wenigstens etwas Wärme, daher war es nicht ganz so frostig wie im Kundenbüro.
»Was suchen Sie denn?«, fragte Böhme.
Judith Brunner merkte, dass sie deutlicher werden musste: »Haben Sie auch einen beheizten Raum, in dem wir uns hinsetzten und unterhalten können? Ich müsste mir vielleicht auch ein paar Notizen machen.«
Heinz Böhme führte sie nun in sein Büro, das akzeptable Bedingungen für ein Gespräch bot.
»Danke«, begann Judith Brunner. »Wir bearbeiten ein Verbrechen, bei dem eine frühere Baustelle von Ihnen zu einem Tatort wurde. Und wir hoffen, dass Ihre Leute uns dazu etwas sagen können. Meine Mitarbeiter nehmen schon die Personalien auf und dann wollen wir mit jedem Mann reden.«
»Hallo, Hauptkommissarin Brunner?«, hörte sie Dr. Grede rufen.
»Hier hinten. Was gibt es denn?«
Grede kam heran. »Berthold Lemke ist nicht dabei.«
»Er ist weg?«
Das war nicht gut. Judith hatte gehofft, es würde nicht so mühsam werden, Lemke zu fassen, obwohl sie auch mit dieser Nachricht hatte rechnen müssen.
»Ja, er war wohl heute am Morgen noch pünktlich hier, ist dann jedoch wenig später los.«
Judith Brunner fragte nach: »Wie konnte das passieren? Die Kollegen vom Streifenwagen sollten eigentlich aufpassen, dass keiner abhaut.«
»Lemke war gar nicht mehr hier, als die ankamen. Deswegen fiel es auch nicht auf, bis ich eben die Personalien der Leute im Bauwagen durchsah und mit unserer Liste aus Waldau verglich.« Mehr konnte Dr. Grede auch nicht sagen.
»Ich hab nichts verraten!«, verteidigte sich Heinz Böhme ungefragt, »wie Sie gesagt haben.«
»Ist schon gut«, beschwichtigte ihn Judith Brunner, »wo könnte er denn hin sein? Hatte er einen Auftrag von Ihnen bekommen?«
»Nein. Ich habe heute keinen losgeschickt. Als unser Bürofräulein heute Morgen kam und mich rein zu Ihrem Anruf holte, haben wir gerade alle beisammengestanden. Ich hatte nur Arbeit auf dem Hof verteilt. Auswärts war heute
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